Spohr, Louis

Drei Duos für zwei Violinen WoO 21

bearb. von Barbara Gabler und Rüdiger Spuck, hg. von Wolfram Boder, zwei Spielpartituren und Faksimile

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Merseburger, Kassel 2008
erschienen in: üben & musizieren 2/2010 , Seite 61

Bei den Duetten handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um die ersten Kompositionsversuche des zwölfjährigen Spohr, die er selbst in seinen Lebenserinnerungen erwähnt. Wie sich Spohr (1784-1859) später erinnerte, hatte er die Werke für sich und seinen Geigenlehrer komponiert und mit diesem zusammen in den „Abendmusikpartien“ im elterlichen Haus in Seesen zur Uraufführung gebracht.
Der Kasseler Verlag Merseburger legt nun im Rahmen einer Reihe mit unveröffentlichten Werken Spohrs eine großzügig gedruckte und sorgfältig aufbereitete Erstausgabe vor, die neben zwei Spielpartituren dankenswerterweise auch ein vollständiges Faksimile der Handschrift enthält. Die Herausgeber haben darauf verzichtet, Fingersätze und Dynamik zu ergänzen, und haben nur einige Bogenstriche hinzugefügt. Man hätte sich aber noch zusätzliche Akzidenzien (z. B. Seite 35, T. 4), Korrekturen inkonsequenter Balkung (z. B. Seite 24, T. 3 und 11) und günstigere Blätterstellen gewünscht.
Die vorliegende Ausgabe ist für die Praxis gedacht und soll laut Vorwort den Duetten „den Weg zurück in Violinunterricht und Hausmusik ebnen“. Spieltechnisch sind die Duette allen jungen Geigern zugänglich, die bereits Repertoire vom Schwierigkeitsgrad der Haydn-Konzerte gespielt haben. Stilistisch bewegen sich die Kompositionen in der Sphäre der Frühklassik – man spürt die Nähe zu den Singspielen von Hiller, die Spohr zu seinen frühesten musikalischen Inspirationen zählte.
Ob die Werke aber wirklich eine wichtige und notwendige Ergänzung des überaus reichen Duettrepertoires des 18. und frühen 19. Jahrhunderts darstellen, mag dahingestellt bleiben. Einige Passagen sind charmant und handwerklich einigermaßen sauber komponiert, aber an vielen Stellen hätten die beiden Bearbeiter in ihrem Bemühen, satztechnische Schnitzer zu korrigieren, vielleicht noch weiter gehen können.
Vielleicht ist es jedoch eine wertvolle Erfahrung für einen jungen Geiger oder eine junge Geigerin heutzutage, einerseits zu realisieren, was ein gleichaltriger Musiker bereits kompositorisch zu leisten vermag, andererseits dessen Fehler zu erkennen und eventuell selbst einige Verbesserungen zu machen. Für diesen Zweck bietet die Ausgabe ideales Material. Man sollte aber darüber nicht vergessen, dass Spohrs vierzehn reife Geigenduette – hochvirtuose Meisterwerke ihres Genres – immer noch auf eine zuverlässige Neuausgabe warten.
Martin Wulfhorst