Reif, Werner

England

Lautenstücke aus der Renaissance, bearbeitet für Gitarre

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Edition Dux, Manching 2009
erschienen in: üben & musizieren 2/2010 , Seite 64

Mrs. White’s Nothing oder The Right Honourable Robert, Earl of Essex, his Galliard sind nur einige der eigenwilligen Überschriften, die uns aus der Zeit der Renaissance in England überliefert sind. Komponisten und Virtuosen haben zu dieser Zeit ihren Brotherren und Gönnerinnen Kompositionen namentlich zugedacht und nicht wenige von ihnen auf diese Weise unsterblich gemacht. In einer Neuausgabe sind nun knapp 40 Lautenstücke, durch deren Titel mitunter zudem eine ordentliche Portion Skurrilität hindurchscheint (Pavan, Last Will And Testament), von Werner Reif für die Gitarre eingerichtet worden und sorgfältig ediert bei Dux erschienen.
Reif vereint in seiner Ausgabe Tänze, Fantasien und Praeludien von den namhaften Lautenkomponisten Englands aus der Zeit zwischen 1560 und 1640, darunter John Dowland und Anthony Holborne. Vereint sind Titel mit hohem Bekanntheitsgrad wie Dowlands Fantasia Nr. 7 in E, die heute zum Repertoire jedes Gitarristen gehört, sowie Greensleeves im Lautensatz von Francis Cutting, außerdem weniger Bekanntes, aber dennoch Lohnendes wie beispielsweise Robinson’s May aus der Feder des Lautenisten Thomas – der Titel lässt es erahnen – Robinson.
Bei allen Kompositionen wird eine nach fis abgestimmte g-Saite als obligatorisch vorausgesetzt, da der Herausgeber möchte, dass die Stücke wie in der Original-Lautentabulatur notiert gespielt werden; aus dem gleichen Grund versieht Werner Reif die Stücke seiner Sammlung ausgiebig mit Fingersätzen. Und da die Musik der Renaissance am besten in der (ungefähren) Originaltonhöhe klingt, empfiehlt Reif den Einsatz eines Kapodasters auf dem 2. oder 3. Bund. Angenehmer Nebeneffekt ist, dass sich so Überstreckungen in der linken Hand, die ansonsten aufgrund der größeren Mensur der heutigen Gitarre leicht auftreten können, vermeiden lassen.
In seinem Vorwort führt Reif in die Welt der musikalischen Renaissance Englands ein, erklärt manch Zeittypisches und gibt außerdem eine knappe Übersicht über die Komponisten und deren Wirken in der großen Zeitenwende um 1600. Dies alles ist freilich nicht neu und in etlichen Notenausgaben bereits ebenso empfohlen. Da Reif seine Sammlung aber ausdrücklich auch Renaissance-Neueinsteigern empfiehlt und jungen Musikerinnen und Musikern mit wenig musikhistorischen Vorkenntnissen – etwa Hobbygitarristen, die die Musik Dowlands durch Stings Einspielung kennen gelernt haben – eine Brücke zur Musik dieser Zeit schlagen möchte, ist es doch gut und sinnvoll, dass er all dies beschreibt.
Ein schönes, lohnendes Buch für Kenner und Neueinsteiger der englischen Renaissancemusik, dem Werner Reif noch Bände von Renaissancemusik aus Italien sowie Lautenduetten an die Seite stellt. Wenige Druckfehler (Fingersätze bei den Schlussakkorden von Dowlands Fantasia in E und Greensleeves) sowie sprachliche Unebenheiten im Eingangstext ließen sich bei einer Neuauflage bereinigen.
Uwe Sandvoß