Heller, Barbara

Klangblumen

14 Stücke für Flöte und Klavier

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2009
erschienen in: üben & musizieren 1/2010 , Seite 63

“Klangblumen” – gleich eine ganze Assoziationspalette scheint sich beim Lesen dieses Titels auf den Weg zu machen; an zarteste Gebilde unvergleichlicher Schönheit denkt man beinahe automatisch, an Ende’sche Stundenblumen (Momo), an Fantasiegebilde von fragiler Vergänglichkeit. So schlägt man schnell voller Neugier den vorliegenden Band auf: Barbara Heller hat also gleich schon mit dem Titel ihrer Miniaturen die Musizierenden in den Stand gespannter Aufmerksamkeit versetzt.
Jetzt heißt es allerdings, die bereits blühende Fantasie nicht zu enttäuschen, und das ist, je nach Naturell, nicht so ganz einfach. Man findet in traditioneller Notation in beiden Stimmen auf den ersten Blick sehr überschaubare Noten vor, die in der Reduktion der Mittel vorerst noch so gar nicht blühwillig erscheinen. Das ändert sich spätestens beim zweiten Blick, der enthüllt, dass die fragilen Gebilde unter schönen Namen wie „Akelei“, „Regenblume“ oder „Wasserlilie“ im Zusammenwirken zwischen Klavier und Flöte eine eigentümliche, sehr intensive Klangsprache entwickeln, bei der die musikalische Gestaltung der technischen Schwierigkeit klar untergeordnet ist: Man kann sich hier nicht mit virtuoser Fingerfertigkeit aus der musikalischen Affäre ziehen, sondern darf im subtilen Ausloten der Zwischentöne, in der feinnervigen Gestaltung kammermusikalischer Linienführung Farbe bekennen.
So wirken die kurzen Stücke auch erst, wenn der Flötist oder die Pianistin tonlich souverän arbeiten kann. Auch der Gebrauch des Pedals im Klavier kann hierüber nicht hinwegtäuschen: Für beide Instrumente braucht es neben handwerklichen Kleinigkeiten wie einem H-Fuß oder einer nicht zu kleinen Hand der Pianistin (eine None sollte locker gegriffen werden können) einige Spielerfahrung und Gestaltungsreife.
Scheint sich zunächst der Klang aus dem Ereignis heraus zu entwickeln, sind die Stücke doch kompositorisch reizvoll und stets neu strukturiert. So liegt z. B. der Nr. 1 („Akelei“) als Tonmaterial eine Ganztonreihe zugrunde, die hauptsächlich durch Lagenversetzungen in der Linienführung und Akkordbildungen aus dem gleichen Ausgangsmaterial ihre musikalische Spannung entwickelt. Die Nr. 3 („Springkraut“) bezieht ihre fröhliche, motorische Energie in erster Linie aus den Kontrasten zwischen dem einen Klangteppich bildenden Klavier und der darüber getupften Flöte: ein kleines Übungsstückchen für das nicht immer einfache Staccato!
Die MusikerInnen müssen in diesen Charakterstücken kammermusikalisch sehr konzentriert miteinander kommunizieren und klanglich sehr vielschichtig arbeiten können; das wird trotz der ansonsten sehr überschaubaren spieltechnischen Herausforderungen gegen einen zu frühen Einsatz im Unterricht sprechen. Für ambitionierte und versiertere FlötistInnen hingegen stellen diese Stücke eine interessante Bereicherung des Repertoires dar.
Christina Humenberger