Russian Piano Collection

Russische Klaviermusik von Glinka bis Prokofjew, hg. von Heinz Rasumke

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Rob. Forberg, München 2008
erschienen in: üben & musizieren 2/2009 , Seite 56

Der auf russische Musik spezialisierte Verlag Rob. Forberg bietet mit diesem Band einen weiträumigen Überblick über die Entwicklung der russischen Klaviermusik vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zu den Anfängen der Moderne ca. einhundert Jahre später, die u. a. von Prokofjew und Wladimir Rebikow repräsentiert werden. In diese Zeit fällt die Herausbildung eines eigenständigen russischen Klavierstils, der zum Ende des Jahrhunderts in der romantisch-virtuosen Musik eines Rachmaninow oder Skrjabin einen bedeutenden Höhepunkt erreicht.
Diesen Weg zeichnet die Sammlung anhand von 58 Kompositionen aller wichtigen und einer großen Zahl zumindest in Deutschland weniger oder kaum bekannter Komponisten (Conus, Pachulski, Napravnik, Zapolski) nach. Mit Ausnahme eines Variationszyklus von Glinka gehören alle übrigen Stücke in den Bereich der Klavierminiatur (Romanze, Impromptu, Nocturne, Intermezzo, Prélude, verschiedene Tänze, Etüde u. Ä.).
Ein besonderes Merkmal dieser Musik ist die hervorragende Kenntnis des Instruments und die Freude an der Ausnutzung von dessen vielfältigen satztechnischen Möglichkeiten. Da bleibt es nicht aus, dass manchmal die Menge der Noten gegenüber der musikalischen Substanz dominiert, aber das ist natürlich auch ein Kennzeichen dieses Entwicklungsprozesses, der erst allmählich zu einer größeren kompositorischen Konzentration geführt hat. Der Umfang der Stücke bewegt sich zwischen einer und acht Seiten, die Mehrzahl liegt zwischen zwei und vier. Um auch für weniger fortgeschrittene SpielerInnen geeignete Stücke anbieten zu können, gibt es ein Zwischenkapitel „Album für die Jugend“, das leichtere Stücke von Maykapar, Glière und Semjon Barmotin enthält und hier die sonst verfolgte chronologische Anordnung vorübergehend aufgibt.
Neben dem instrumentengerechten Satz fällt insgesamt eine breite Streuung der Tonarten auf: Bei einem leichten Übergewicht der Molltonarten werden nahezu alle Tonarten benutzt. Innerhalb der Durtonarten dominieren solche mit vielen Vorzeichen (Des-Dur, Ges- bzw. Fis-Dur), unter den Molltonarten liegen a-Moll, f-Moll und gis-Moll nach der Häufigkeit ihres Auftretens vorn. Das hat einerseits natürlich grifftechnische Ursachen, andererseits steht aber wohl auch die Farbigkeit der Harmonien im Blickfeld der Komponisten (auch der Spieler kann hier ausführliche harmonische Studien betreiben). Sehr interessant sind die Stücke von Rebikow, die bereits aus dem traditionellen tonalen System heraustreten und einmal sogar auf die übliche Takteinteilung verzichten.
Die Sammlung wird ergänzt durch kurze biografische Informationen zu den Komponisten (englisch und deutsch). Fingersätze wurden komplett ausgespart. Insgesamt bietet die Ausgabe reizvolles Spielmaterial mit lohnenden Entdeckungen für überwiegend fortgeschrittene SpielerInnen.
Linde Großmann