Lobisch, Andreas / Yvonne Frye

Jedem Kind ein Instru­ment! – Doch wozu?

Ein kritischer Blick auf „JeKi“ aus ­instrumental­pädagogischer Sicht

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 1/2009 , Seite 47

Was bei einem neuen Medikament einen Aufschrei der Empörung gäbe, scheint in der Musikpädagogik akzeptierte Realität: Beim Projekt „Jedem Kind ein Instrument“ wird Unausgegorenes schon als revolutionäre Neuheit verbreitet, noch ehe Konzepte zu Ende entwickelt worden sind. Ist JeKi nur oberflächlicher Aktionismus?

Seit Langem nicht mehr und vielleicht noch nie ist das Erlernen eines Instruments in Deutschland derart in den Focus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt wie zurzeit. Diese Aufwertung im gesellschaftlichen Interesse mit entsprechender Wertschätzung für die Sache veranlasst zu verschiedenartigen Bewegungen in der musikpädagogischen Landschaft. Einige der aktuellen Projekte haben jedoch den unangenehmen Beigeschmack, zwar etwas zum Besseren verändern zu wollen, in erster Linie aber den Verdacht zu erregen, eher der Profilierung der Initiatoren zu dienen. Denn der visionären Idee folgt nicht der Entwurf des Konzepts, das zunächst im überschaubaren Rahmen nach der Ausarbeitung auf seine Wirksamkeit überprüft, nachgebessert und gegebenenfalls neu überdacht wird; nein, das Unausgegorene wird schon als revolutionäre Neuheit verbreitet, noch ehe es zu Ende gereift, ja sogar zu Ende entwickelt ist. Im Stillen erträumt man sich selbst schon musikpädagogische, historische Relevanz. Was bei einem neuen Medikament ein lebensbedrohender Skandal wäre, ist in Teilen der Musikpädagogik momentan Realität. Oberflächlicher Aktionismus überschattet das Gebot der Nachhaltigkeit.
Das jüngste Projekt dieser Art, das sich epidemieartig über Deutschland auszubreiten droht, ist die Bochumer Initiative „Jedem Kind ein Instrument“ (JeKi). Sie trifft den Nerv der im PISA-Schock erstarrten Gesellschaft und Politik: Heilbringender Musik- und besonders Instrumentalunterricht, durch die Bastian-Studie nicht zuletzt wegen seiner positiven Transfereffekte geadelt, wird als Wundermittel für besseres Sozialverhalten, bessere Schulleistungen und Bildung von Schlüsselkompetenzen derart neu gepriesen, dass der eigentliche Sinn des Projekts im Dunkeln bleibt. Auch der Name spiegelt diese Uneindeutigkeit wider: Jedem Kind ein Instrument. Doch wozu? Ist wirklich Instrumentalunterricht in vollem verantwortungsbewussten Umfang gewollt oder wird das ­Instrument hier „instrumentalisiert“, um oben genannte Begleiteffekte zu erzielen? Wird das Medikament etwa wegen seiner Nebenwirkungen verordnet? Aber damit nicht genug – JeKi soll auch gleich Aushängeschild für ein politisches Großereignis sein: Kulturhauptstadt Ruhr 2010 (und wohl wichtiger: Landtagswahl NRW 2010).

Lesen Sie weiter in Ausgabe 1/2009.