Beckers, Erich / Renate Beckers

Faszination Musikinstrument – Musikmachen motiviert

Bericht über die zweijährige Evaluationsforschung zum Bochumer Projekt "Jedem Kind ein Instrument", hg. von der Zukunftsstiftung Bildung in der GLS Treuhand e. V.

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: LIT, Berlin 2008
erschienen in: üben & musizieren 6/2008 , Seite 55

Das 2003 gestartete Projekt „Jedem Kind ein Instrument“ (JeKi) hat viel Beachtung gefunden und zugleich eine kontroverse Diskussion über die pädagogische Nachhaltigkeit eines solchen Vorhabens ausgelöst. Nun wird niemand bestreiten wollen, dass die Förderung des Instrumentalspiels für möglichst viele, wenn nicht alle Grundschüler eine unterstützenswerte Sache ist. Umso wichtiger ist es, dass eine Evaluationsstudie dieses Projekt begleitet und die Ergebnisse sichtet und bewertet. Dies ist nun mit dem Bericht des Evaluationsteams unter Leitung von Marie Luise Schulten (Universität Siegen) über die Jahre 2005 bis 2007 geschehen.
Betrachtet man die vorgelegten Ergebnisse, die sich auf Umfragen und Interviews mit den beteiligten Lehrkräften, Eltern und SchülerInnen stützen und die Ergebnisse aus der Unterrichtsbeobachtung einbeziehen, so ergibt sich ein insgesamt durchaus positives Bild, das auch einzelne Problemfelder (Zusammenarbeit zwischen Schule und Musikschule, Kommunikation zwischen den beteiligten Partnern, organisatorische Probleme, Team-Teaching, Üben) nicht ausblendet. Die Akzeptanz des Projekts ist bei den Eltern hoch, Motivation und Engagement der Lehrkräfte sind groß, die Anzahl der Gruppen und Schulen nimmt zu und die Zufriedenheit mit dem bisher Erreichten scheint insgesamt die Projektidee voll zu bestätigen: Kinder wollen Musikinstrumente ausprobieren und sind von der eigenen Erfahrung beim Musikmachen fasziniert. Der Anteil der Kinder, die nach dem ersten Jahr der Orientierung im zweiten Jahr mit dem eigenen Wahlinstrument weitermachen, liegt bei 90 Prozent. Was wollen wir mehr?
Natürlich gibt es noch Schwierigkeiten in der Kommunikation zwischen den beteiligten Ebenen und werden eigene didaktische Konzepte gebraucht, die den besonderen Anforderungen des Konzepts entsprechen. Dennoch bleibt der Ansatz, dass Schule und Musikschule im musikpraktischen Bereich ihre Synergien nutzen und kooperieren, richtig und wichtig. Anerkennenswert ist auch die gründliche Arbeit der Evaluationsstudie von Erich und Renate Beckers mit ihrer detaillierten Information über die zentralen Fragenkomplexe, die mit Hilfe der in der qualitativen Sozialforschung entwickelten Methoden gewonnen wurden.
Dennoch bleibt ein zentrales Anliegen jeglicher Evaluationsforschung offen. Um die Wirksamkeit eines Projekts bestimmen zu können, müssten zunächst die Ziele geklärt sein, um dann bewerten zu können, in welchem Umfang diese erreicht bzw. aus welchen Gründen eventuell nicht erreicht wurden. Dies wäre in einer weiteren Studie erst noch zu leisten. Ein weiterer Aspekt sei erwähnt, der die Nachhaltigkeit eines solchen Projekts betrifft. Aus der Studie ergibt sich deutlich, dass ohne die Unterstützung durch das Elternhaus (z. B. beim täglichen Üben – die Übe-Forschung spricht daher vom „parental support“) die guten An­sätze vermutlich langfristig wirkungslos bleiben. Die Notwendigkeit der Einbettung des Inst­rumentalunterrichts in ein entsprechend förderliches familiäres Umfeld zeigt sich beim Üben, das ein besonders sensibles Problemfeld darstellt. So wird erst die Weiterentwicklung des Projekts zeigen können, wie der gute Projektansatz langfristig in den Unterrichtsalltag integriert werden kann.
Wilfried Gruhn