Regner, Hermann

Hirtenmusik

5 Miniaturen für Sopran-, Alt- und Tenorblockflöte

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2008
erschienen in: üben & musizieren 6/2008 , Seite 62

Wer Hirtenmusik hört, denkt nor­malerweise zuerst einmal an Weihnachten; das ist im mitteleuropäischen Kulturverständnis so verankert. Und auch die „5 Miniaturen“ für Sopran-, Alt- und Tenorblockflöte von Hermann Regner (* 1928) lassen vom Höreindruck her die festliche Assoziation zu, erzwingen sie jedoch nicht, etwa durch Anklänge von Weihnachtsliedern oder Ähnlichem, und eignen sich darob durchaus für den ganzjährigen Gebrauch.
Die fünf kleinen Stückchen, die jeweils etwa zwischen einer knappen Minute und deren zwei dauern, bewegen sich harmonisch stets im tonalen, spätromantisch geprägten und durchaus von gelegentlichen Dissonanzenhäufungen durchzogenen Bereich, sind dabei aber für den Hörer immer noch auf Anhieb verständlich und nachvollziehbar. Sie erinnern in ihrer Harmonik vielleicht am ehesten an Musik von Elgar – freilich in ihren schlichteren Ausprägungen. Somit eignen sie sich auch für jüngere oder wenig ambitionierte FlötenschülerInnen, denen der Zugang zu abstrakter Neuer Musik schwerer fällt.
Ein abwechslungsreiches Andante mit interessanter, von Pausen durchzogener Rhythmik verlangt feine Differenzierung in der Dynamik und verschiedene Artikulationsweisen, dazu eine gute Koordination im Zusammenspiel. Für diverse Sechzehntelbewegungen ist auch ein gewisses technisches Niveau von Nöten. Ein höchst pastorales 6/8-Stückchen lebt vor allem von guter Melodiegestaltung (wobei die Tenorflöte im Melodieanteil ein wenig zu kurz kommt).
Im dritten Satz hat die Sopranflöte einige flotte Sechzehntelketten zu absolvieren, während Alt und Tenor vor allem mit dem harmonischen Unterbau beschäftigt sind, der gleichmäßiges und rhythmisch sicheres Spiel verlangt. Das leicht melancholisch anmutende Largo steht in phrygischer Tonart und baut auf langen, ruhigen Haltetönen im Tenor auf, während sich der Sopran mit der getragenen, ausdrucksreich zu gestaltenden Melodie beschäftigt und die Altflöte zwischen beiden Aspekten wechselt. Das abschließende Allegro ist ein Tanz-Satz mit changierenden Rhythmen und teils überraschenden harmonischen Wendungen.
So bietet das Heft viel Abwechslung, sowohl in den Tempi und Taktarten als auch in den Charakteren der Stücke. Technisch und musikalisch erfordern die Stückchen dementsprechend entweder gute Fingerfertigkeit in den virtuoseren Passagen der schnellen Teile oder mehr Sorgfalt für Tonentwicklung und Liniengestaltung in den langsameren Teilen. Vom Ambitus her agieren alle drei Flöten zwischen ihrem jeweiligen Grundton und der Sext der oberen Oktave.
Damit ist keine der Miniaturen für AnfängerInnen geeignet (einzig vielleicht der Tenorpart des Largo wäre nach kurzer Übungszeit machbar), vielmehr richten sie sich allesamt an ein mittleres Schülerniveau und verlangen in jedem Fall ein souveränes und koordiniertes Zusammenspiel.
Andrea Braun