Regner, Hermann

Abendlieder

4 Stücke für Violoncello solo, hg. und mit Fingersätzen versehen von Julius Berger

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2008
erschienen in: üben & musizieren 6/2008 , Seite 64

Einmal mehr sei an dieser Stelle ein Wunsch an viele Musikverlage – und im Konkreten an das Haus Schott – formuliert: Lassen Sie uns nicht allein mit dem Namen eines Komponisten und seinen blanken Noten! Mit wem haben wir es zu tun? Insbesondere einem Verlag wie Schott, in dessen Programm sich neben etablierten Namen dankenswerterweise zahlreiche wenig bekannte Komponisten aller Epochen finden, wären wir für ein wenig Klappentext immer dankbar. Wir, das ist die große Gruppe neugieriger Laien- und Profimusiker, Musiklehrer und Musikliebhaber, die Veröffentlichungen wie die vorliegende mit Interesse rezipieren, dem Komponisten jedoch erst mittels Umwegrecherche ein Stück näherkommen.
Hermann Regner, Jahrgang 1928, ist gebürtiger Allgäuer. Nach Kompositions-, Dirigier-, Musikwissenschafts- und Ethnologie-Studien promovierte er über das Thema „Taktwechselnde Volkstänze im schwäbischen Ries“. Wesentliche Linien seines späteren vielfältigen Wirkens deuten sich hier an: Volksmusik, Rhythmik, Tanz, Musikerziehung. Nach Lehrjahren in Trossingen wurde Regner 1964 Professor am Orff-Institut des Mozarteums und war bis zu Carl Orffs Tod 1982 einer seiner engsten Mitarbeiter. Viele Publikationen und Rundfunksendungen, insbesondere für den Bayerischen Rundfunk, begleiteten seine pädagogische Arbeit. Seit seiner Emeritierung 1993 arbeitet Regner als freischaffender Komponist. Er hat Vokal- und Instrumentalwerke pädagogischen, aber auch professionell-konzertanten Zuschnitts veröffentlicht.
Sein jüngstes, die Cellokomposition Abendlieder, verbindet überzeugend beide Ansätze: Die vier stimmungsvoll-charakteristischen Stücke übersteigen in technischer Hinsicht das Level mancher für den Unterricht konzipierter Werke, sind aber andererseits leichter realisierbar als etwa die hindemithsche Solosonate, von Werken der jüngeren Avantgarde nicht zu reden. Fortgeschrittene SchülerInnen finden in Abendlieder gute Einstiege in eine quasi polytonale, Gravitationszentren nie verleugnende und zugleich rhythmisch vielgestaltige Tonsprache.
Widmungsträger und Herausgeber Julius Berger – Ausnahme-Cellist, renommierter Pädagoge und bayerisches Urgestein, dessen Naturell eine Persönlichkeit wie Regner zweifellos als wesensverwandt empfindet – hat die Abendlieder mit klugen Fingersätzen versehen. Griffsicherheit bis in die Daumenlagen, Geläufigkeit (Nr. 3) und zumal eine gute Saitenübergangs-Bogentechnik (Nr. 1, Nr. 4, Bariolagen in Nr. 3) sind Voraussetzung für eine sichere Bewältigung der Stücke.
Jedes Abendlied basiert jeweils auf einer motivischen Grundstruktur, die in unterschiedlichen Farbschattierungen präsentiert wird. Materialverarbeitung findet nur ansatzweise statt, etwa im Spiel mit Umkehrungen. So wird etwa der barkarole-inspirierte Duktus des ersten Stücks im letzten Stück wieder aufgegriffen.
Gerhard Anders