Schwarzenbach, Regula / Letizia Fiorenza

Höhenflüge mit Bodenhaftung

Die Methode Atem-Tonus-Ton für Flötistinnen und Flötisten. Ein Übungsbuch für Neugierige

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Zimmermann, Frankfurt am Main 2007
erschienen in: üben & musizieren 1/2008 , Seite 57

Mit dem ins Auge springenden Titel Höhenflüge mit Bodenhaftung wird eine Körper- und Atem-Schulung angeboten, die von Ilse Middendorfs Atem-Methode ausgehend den Problemen beim Spiel von Blasinstrumenten, wie etwa dem verkürzten Einatmen und dem verlängerten Ausatmen, Rechnung tragen will. Es handelt sich um einen den ganzen Körper einbeziehenden Übungsweg, mit dem „Musiker ihre physischen Kräfte optimal einsetzen und dabei die Atemfunktion entlasten“ können, wie es im Vorwort heißt.
Die Autorinnen, eine Flötistin und eine Sängerin, haben ihre in eigenen Kursen gewonnene Erfahrung in Buchform gebracht, um sie einem breiteren Publikum von FlötenlehreInnen und interessierten Laien zugänglich zu machen. Um künftig den Oberkörper respektive Spielapparat wirkungsvoll entlasten zu können, werden in sieben Kapiteln vorbereitende, Atem anregende Übungen (Dehnen, Gähnen) und spezielle Übungen (im Stehen, im Sitzen) beschrieben, die darauf zielen, Körpergefühl, Atem und Instrument in Übereinstimmung zu bringen; geübt werden kann allein oder in der Gruppe.
Da die Methode „Atem-Tonus-Ton“ im Verlauf des Büchleins selbst nicht zusammenhängend dargestellt wird, sei das Studium von Ilse Middendorfs ursprünglichem Übungsweg empfohlen (Paderborn 1984), gerade auch wegen seiner sprachlichen Klarheit. Denn will man die Übungen des vorliegenden Büchleins ernsthaft nachvollziehen, merkt man, dass sie präziser und prägnanter formuliert sein könnten, etwa was den Bezug zum Atem betrifft; aber auch das Ausführungstempo ist in Relation zum Ein- oder Ausatmen nicht deutlich genug herausgearbeitet. Leider sind die Abbildungen durch fehlende Bildlegenden weniger hilfreich, als sie es sein könnten, und schade ist, dass die Rückmeldungen (aus Kursen vermutlich) schwach gedruckt und deshalb kaum lesbar sind.
Atmung ist ein zentrales Element im Flötenspiel, aber sie ist vor allem etwas Individuelles, sogar Intimes, über die Jahre hinweg sich Entwickelndes. Bewusstes Eingreifen in (normalerweise unbewusste) Atemvorgänge erfordert Behutsamkeit einerseits und Bereitschaft andererseits. Gezielte Atem- und Körperarbeit, wie sie hier angeboten wird, kann eine günstige Entwicklung anstoßen und manches in Bewegung bringen; doch wird man nicht nur auf die Wirksamkeit solcher Übungen setzen, oft ist es vielmehr die allgemeine musikalische Entwicklung, die dazu beiträgt, dass der Atem „länger“ wird.
So scheint mir der hier vorgeschlagene (zu) direkte Transfer auf die Musik nicht geeignet zu sein, das Geübte zu integrieren. In Übereinstimmung mit Richters Bewußter Flötentechnik, die auch im Literaturverzeichnis angeführt wird, sollte man doch darauf vertrauen dürfen, dass durch das Verständnis von musikalischen Phrasen mehr und mehr deren atemtechnische Bewältigung unterstützt wird.
Ursula Pesek