Ballwein, Monika

Move your voice

Vocal-Workout für optimale Stimm-Performance, mit CD

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Doblinger, Wien 2006
erschienen in: üben & musizieren 1/2008 , Seite 57

Die Österreicherin Monika Ballwein ist als Sängerin seit vielen Jahren im Popbusiness erfolgreich. Seit 2004 ist sie selbstständig und veranstaltet in ihrer Privatakademie Vocal Coaching-Intensivworkshops. Nun legt Ballwein eine Veröffentlichung vor, die – so der Verlagstext auf dem rückwärtigen Umschlag – „zum ständigen Begleiter für alle werden [sollte], die ihre Stimme optimal entwickeln möchten“.
Das ungewöhnliche Layout, die Schwarzweiß-Fotos, die suggestiv wirkenden Blockbuchstaben des Covers und die Sprache (Anglizismen, persönliche Anrede) machen klar, dass dies ein sich modern gebendes Buch ist, das sich wohl vor allem an Jüngere wendet. Die Handschrift professioneller Werbefachleute ist dabei unverkennbar.
Monika Ballweins Professionalität als Sängerin, ihr von Herzen kommendes Engagement, ihre Lebendigkeit und ihre reiche Erfahrung im Umgang mit Menschen, die auf die Bühne streben und singen möchten wie die arrivierten Stars, sind auf über 70 Seiten ständig spürbar. Die Texte scheinen unmittelbar aus der Praxis erwachsen zu sein, könnten Hand-Outs zu Seminaren sein. Und in der Tat hat die Autorin viele Tipps zu geben: Sie gibt Hilfestellung nicht nur für das richtige Sprechen und Singen, sondern z. B. auch für die Körperhaltung, das Fühlen des Grooves, das harmonische Hören und Improvisieren einer zweiten Stimme und immer wieder auch Hinweise zur sängerischen Selbstfindung.
Leider trüben ein paar gravierende Schwächen das Gesamtbild. Vieles wirkt wie „hingeworfen“, wird lediglich angerissen (z. B. „Rhythmus im Alltag“: elf magere Zeilen auf Seite 29; „Komposition“: zwölf Zeilen auf Seite 63). Oft fehlt es an Stringenz: Mal wendet sich eine Aufgabe an jemand Einzelnen, mal an eine Gruppe („eventuell kurze Diskussionsrunde starten“), mal wird detailliert Anleitung gegeben, mal bleibt man sich selbst überlassen („Erkenne zunächst die harmonische Struktur…“); manchmal stehen Hinweise einfach so im Raum, ohne dass ihre Bedeutung für die Stimme geklärt wäre („Körperübungen“ auf Seite 12: „seinen eigenen Körper spüren“ – aber was bedeutet das im Hinblick auf die Stimme?; „Rhythmus in verschiedenen Kulturen und deren Bedeutung“ auf Seite 22 ff. – was hat dies mit der Stimme zu tun?).
Schade auch, dass Monika Ballwein in manchen fachlichen Dingen so unsicher ist: ein „musikalisches Gehör“ als Grundvoraussetzung für das Finden von „harmonies“ und für das Entscheiden, ob „die Töne harmonisch ,richtig‘ oder ,falsch‘“ gehört werden (Seite 52), genügt sicher nicht; „Rhythmus“ kommt nicht aus dem Lateinischen und bedeutet eben nicht „Takt“ oder „Zeitmaß“ (Seite 22); die Ausführungen über Intervalle (Seite 53 f.) sind merkwürdig schief geraten, etwa wenn die Existenz der „Halbtöne cis, dis, fis, gis und ais“ die der großen und kleinen Intervalle begründet.
Manche Übungen sind nützlich (Körperübungen, Seite 12 ff.), andere richtig schwierig („Groovemaster“, Seite 30 ff.) und wieder andere für ein „vocal-workout“ wirklich zu staubtrocken und altbacken (Sprechübungen; Seite 44 ff.; Intervalltrainig, Seite 54 ff.). Hier fehlt es eindeutig an „Pep“, den der modernistische Titel verspricht.
Dass vieles zu oberflächlich geraten ist, wird besonders in den Schlusskapiteln „Interpretation/ Performance/Präsentation“ (Seite 65 ff.) deutlich. Natürlich ist Authentizität wichtig – aber man erreicht diese sicher nicht, indem man sich von der beiliegenden CD Monika Ballweins Neuinterpretationen zweier Gospelsongs anhört. Ja, der Einstieg ist wichtig! Aber die Forderung, den richtigen zu finden und „in the flow“ zu sein, lässt die LeserInnen ratlos zurück. Und wenn man unter „Dynamik“ schon etwas anderes als den Lautstärkeverlauf versteht, reicht es wiederum nicht, sich den Formverlauf bewusst zu machen, einen Stil auszuwählen und dann „verschiedene Facetten“ zu zeigen. „Verändere Melodie, Rhythmus und alles, was nötig ist, bis der Song so ist, wie du ihn empfindest und gerne singen möchtest“ (Seite 67) oder „Improvisiere und stärke dadurch dein Selbstvertrauen, das Vertrauen in deine Stimme und so deine Unverwechselbarkeit!! Dann ist sicher: A star is born!“ (Seite 67) – das sind gut gemeinte, Mut machende Appelle, aber keine wirklichen Hilfen.
Dass Monika Ballwein in der „Live-Begegnung“ Menschen voranbringen und zu guten SängerInnen machen kann, davon bin ich überzeugt. Mit diesem Buch aber gelingt es ihr leider nur in Ansätzen.
Wolfgang Koperski