Reuter, Christoph

improvise!

24 leichte Klavierstücke zum Spielen und Improvisieren, mit CD

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Acoustic Music, Osnabrück 2007
erschienen in: üben & musizieren 1/2008 , Seite 62

Der Imperativ dieses Titels hat etwas für sich, versucht er doch, Zögerlichkeiten und Bedenken beiseite zu schieben. Denn viele KlavierschülerInnen wollen gern frei spielen, losgelöst von unveränderbarem Notentext, wissen oft aber kaum, wie sie dies anstellen sollen. Christoph Reuters Anspruch ist es, die SchülerInnen ohne viel Vorreden oder Theorie rasch zum Improvisieren zu bringen. Dafür legt er 24 leichte bis mittelschwere Stücke vor, Eigenkompositionen aus den Bereichen Jazz, Pop, auch Tango und Reggae sowie Bearbeitungen einiger deutscher Volkslieder in geschmackvoller Reharmonisation.
Das Konzept ist ebenso einfach wie überzeugend. Jedes Stück ist als Chorus komplett ausnotiert, für die Improvisationen wird ein meist viertaktiges Modell genutzt, in der Regel identisch mit dem Beginn des Chorus oder von diesem abgeleitet, wobei jeweils die Töne nur einer Skala Verwendung finden. Im Notenheft finden sich die für die Improvisation anzuwendende Skala sowie Leertakte zur Notierung einer eigenen Improvisation, ferner ein zweihändiges Begleitpattern für den Lehrer, das dem Übenden ermöglicht, sich allein auf die Improvisation zu konzentrieren. Bei einem Titel („Unentschlossen“) improvisiert die linke Hand, ansonsten ist es stets die rechte. Die Titel der Stücke sind assoziativer Natur, sie helfen einer Einstimmung, vereinzelt auch unterstützt von Naturfotos.
Die beiliegende CD liefert Aufnahmen sämtlicher Titel mit kürzeren Improvisationsteilen sowie aller Lehrer-Begleitpatterns, die zur Playback-Übung genutzt werden können. Die Improvisationen hält Reuter anfänglich recht einfach und damit motivierend, viele KlavierschülerInnen dürften ähnliche Ergebnisse erreichen können, später wird es virtuoser. Die Qualität der Einspielungen ist gut, zuweilen ist das Timing etwas unpräzise.
Reuter ist Jazzer, er vertritt die Akkordskalentheorie. Damit nicht ein beliebiges Gespiele mit Tonleitern entsteht, gibt er am Ende des Bandes methodische Tipps, z. B. Spiel ausschließlich mit Akkordtönen oder Einhalten zweitaktiger Pausen. Technische Übungen wie das Verbinden von Skalen oder Sequenzmodelle von Drei- oder Viertongruppen runden diese Schule ab.
Gerade wegen seiner Methodik ist dieser Band sehr zu empfehlen. Freilich bietet er erst einen Anfang. Komplette Chorusimprovisationen fehlen hier noch, der Wechsel von Skalen und das Spiel mit Zentraltönen und Ideallinien könnten in einem Folgeband thematisiert werden. Nicht immer hält sich der Autor an seine Beschränkungen: In seinen eigenen Improvisationen streut er Nebentöne ein, in Mollstücken schlägt er auch die Dur-Terz bei Dominanten an und verlässt damit die Skala. Komponieren wird hier, anders als Reuters Vorwort glauben machen will, kaum gelernt, Improvisation meint hier das Erfinden kurzer melodischer Linien auf Akkord- und Skalenbasis. Fazit: Dem Imperativ des Titels folgt man gerne!
Christian Kuntze-Krakau