Schultze-Florey, Andreas

99 Vortragsstücke

für Fagottino oder Fagott, Band 1 und 2

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Accolade, Warngau 2007
erschienen in: üben & musizieren 1/2008 , Seite 64

Während es bis vor wenigen Jahren noch hieß, Fagottunterricht könne man erst ab dem 13. Lebensjahr beginnen, hat sich seit den Pioniertaten von Georg ter Voert (Quartfagottschule, Markgröningen 1992) und Ralf Müller (Quintfagottschule, Regensburg 1995/96) erfreulich viel getan bei der Literaturbeschaffung für den ganz kleinen Fagottnachwuchs. Bei einigen Publikationen der jüngsten Zeit wurde der Bogen allerdings gelegentlich leicht überspannt: Entweder erhielt man allzu Kindliches mit mehr Bildern zum Ausmalen und Gedichten als Spielstücken oder aber es wurde versucht, auch die ganz Kleinen schon an hyper-avantgardistische Klänge inklusive grafischer Notation heranzuführen.
Demgegenüber legt Andreas Schultze-Florey zwei Bände mit sehr durchdachter und gleichermaßen Spielfreude erweckender wie methodisch sinnvoller Spielliteratur vor. Der Fagottist im Niedersächsischen Staatsorchester Hannover, Vorstandsmitglied bei Jeunesses Musicales, Mitbegründer des Leipziger Symposiums für Fagottino, Betreuer von Jugendorchestern und Erfinder eines selbst zu bauenden Härtetesters für Rohrholz schlägt im Untertitel Fagottino (mittlerweile wohl identisch mit Quintfagott) oder auch „großes“ Fagott vor, im Vorwort zum zweiten Band dann sogar Kontrafagott.
Man ist zunächst erstaunt: 99 Vortragsstücke werden angekündigt, man erhält aber pro Band nur je 33. Beim Verlag erfährt man dann: Der dritte Band ist in Vorbereitung. Der erste Band beginnt mit Stücken, die man mit der linken Hand nach Erlernung der Töne c-f spielen kann, erweitert den Tonumfang dann in zwölf Stücken auf Es-a. Schön am Inhaltsverzeichnis ist, dass man den benötigten Tonumfang pro Stück erfährt, etwas störend hingegen, dass die Titel der Stücke hier nicht erscheinen, man bekommt stattdessen Tonbeispiele der ersten Takte. Die Stücke selbst sind durchweg Eigenkompositionen mit Überschriften, welche laut Autor „zur phantasievollen musikalischen Gestaltung anregen“ können. Beim zweiten Band muss man dann auf ein Inhaltsverzeichnis ganz verzichten – schade.
Auffallend ist, dass Schultze-Florey von Anfang an musikalische Ausdrucksbezeichnungen, Dynamik und Artikulation einführt. Beide Bände sind gleichermaßen interpretatorisch wertvoll wie technisch fordernd; der erste führt bereits bis zu Tonarten mit vier Vorzeichen, der zweite wird zum Teil richtig schwer und schreckt auch vor weniger gewohnten Taktarten nicht zurück, während ungewöhnliche Technik sich auf ein kleines Klappengeräusch beschränkt.
Die neue Fagottmusik wird von Kindern gerne angenommen und mit Freude gespielt: eine wichtige Bereicherung gegenüber Zeiten, in denen jeder Fagottlehrer sich die Literatur für den Anfängerunterricht überwiegend selbst zusammenstellen musste.
Stephan Weidauer