Ziegenrücker, Wieland

Praktische Musiklehre

Das ABC der Musik in Unterricht und Selbststudium, mit CD

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 2006
erschienen in: üben & musizieren 6/2006 , Seite 66

Wieland Ziegenrücker ist ein Klassiker. Seine allgemeine Musiklehre ABC Musik, in den Siebzigern in Leipzig erschienen, fand in der DDR weiteste Verbreitung, war aber auch im Westen in Gebrauch und wird bis heute in Überarbeitung verlegt und viel gelesen. Der kompakte Band führt in fast 450 Lehrsätzen stringent in die Materie ein. Dieses etablierte Werk ergänzt und erweitert Ziegenrücker durch die aktuelle Neuerscheinung, die nun als erster von drei Bänden erschienen ist.
Im Gegensatz zum früheren Lehrbuch liegt hier das Augenmerk auf dem Didaktischen, auf dem Weg der Wissensvermittlung und -verankerung. Der Stoff wird nicht im systematischen Überblick präsentiert, sondern sukzessiv eingeführt und mit einer Fülle von Übungen und direkten Anwendungen umrahmt. Die zum Buch gehörende CD ist dabei ständige Begleiterin. Das Buch richtet sich nicht speziell an junge Menschen, doch der meist angenehm einfache, nur gelegentlich etwas ins Altväterliche abdriftende Tonfall macht es für Kinder und Jugendliche gut geeignet.
Der erste Band beginnt bei Null und arbeitet sich vor zu einer gründlichen Einführung in die Struktur und Notation von Tonhöhen, Takten, Rhythmen, Intervallen, Tonleitern, Dynamik sowie einfachen Melodien. Die Erklärungen und Beispiele sind umfassend genug, dass auch im Selbststudium keine Fragen offen bleiben sollten. Was dieses Buch von den vielen gängigen Allgemeinen Musiklehren unterscheidet, ist sein Bemühen, die vermittelte Materie immer sofort hörend und musizierend erfahrbar zu machen. Zu jedem einzelnen Lernbaustein findet sich, farblich im Text herausgehoben, sofort eine oder mehrere Übungen. Viele davon beziehen die farbenreich gestaltete CD mit ein.
Neben solchen, die das Gelernte praktisch anwenden oder abfragen, finden sich vom allerersten Anfang an Aufgaben, in denen es um das freie Erfinden und Gestalten musikalischer Zusammenhänge geht. Dabei geht der Autor aber immer so systematisch vor, dass sich kein Schüler alleingelassen fühlen wird. Jedes vorgestellte musikalische Element soll erst verstehend und übend ganz erfasst sein, bevor die nächste Stufe angestrebt wird. So beschränkt sich beispielsweise der melodische Bereich zunächst auf den Dreitonraum, der erst gegen Ende dieses ersten Bandes auf fünf Töne erweitert wird. Im Grunde handelt es sich also um eine kombinierte Unterweisung in Theorie und Gehörbildung.
Das ist kein neuer Ansatz, aber ein unbedingt sinnvoller und vor allem ein immer noch sträflich oft vernachlässigter. Denn wenn die Musiklehre nur abstrakt verstanden und nicht auch musizierend und hörend erlebt wird, wird sie graue Theorie bleiben anstatt, was doch ihr eigentlicher Sinn ist, das Musizieren zu bereichern.
Florian Ziemen