Noll, Günther / Marianne Bröcker / Klaus Rutha / Wolfgang Tiedt

Singen – Tanzen – Spielen

Schülerheft/Lehrerkommentar/ Begleit-Doppel-CD/Liedbegleitmodelle für Klavier/Liedbegleitsätze für das Klassenmusizieren

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2000
erschienen in: üben & musizieren 3/2001 , Seite 75

Beide Neuveröffentlichungen (oben genannte sowie Ortwin Nimczik / Ernst Klaus Schneider: Klangwerkstatt. Hören – Entdecken und Untersuchen – Gestalten, Schülerheft / Lehrerkommentar, Schott, Mainz 2000)
gehören zu einem aufwändigen Unterrichtswerk für allgemein bildende Schulen, das von Günther Noll unter dem Titel Erlebniswelt Musik – Materialien für die Sekundarstufe I herausgegeben wird und dessen weitere Bände in Vorbereitung sind. Es verfolgt einen ganzheitlichen, fächerübergreifenden, viele Teilbereiche integrierenden Ansatz. Tendenzen der letzten dreißig Jahre werden zusammengefasst und auf den neuesten Stand gebracht. Klugerweise beschränken sich der Herausgeber und seine Mitarbeiter auf ein vielfältiges, didaktisch-methodisch aufbereitetes Materialangebot in der richtigen Erkenntnis, dass Stoffauswahl und methodische Entscheidungen vom Musiklehrer und der Musiklehrerin vor Ort getroffen werden.
Der erste Themenkomplex enthält die Bereiche Lied und Singen, Bewegungserziehung, Instrumentenkunde und szenisches Spiel. Im Schülerheft werden im ersten Teil Lieder mit Kommentaren und Aufgabenstellungen abgedruckt. Es fragt sich dabei, ob überhaupt neue Liederbücher für die Schule notwendig sind. So unterscheidet sich die vorliegende Liedersammlung inhaltlich nur wenig von anderen. Dennoch rechtfertigen Auswahl, Kommentierung, Akzentsetzung und die sehr detaillierten Aussagen im Lehrerkommentar diese Neuausgabe. Pluspunkte sind die Songs aus der U-Musik, die vielen ausländischen Lieder, die Kommentare und Aufgaben im Schülerheft und die Akkordsymbole für Gitarre. Textparodien, fächerübergreifende Sachhinweise, Einbeziehung der politischen Dimension und musiktheoretische Bezüge überzeugen besonders.
Der zweite Teil – Tanzen – stellt einen wichtigen Beitrag zur interkulturellen Erziehung dar. Außerdeutsche Tänze (vor allem slawische) sowie nord- und vorrangig südamerikanische Tanztypen werden gut eingeführt und mit zweckmäßigen Aufgabenstellungen zum Tanzen verbunden. Kritisch aber muss hier angemerkt werden, dass das Musizieren dieser rhythmisch z. T. sehr komplizierten Tänze durch die SchülerInnen schnell an Grenzen stößt, wenn man etwa an die Hauptschule denkt. Bei aller Bedeutung dieser Tänze für den Unterricht: Sie sind schwer zu realisieren!
Das trifft ganz besonders für den dritten Teil – Spielen – zu. Spielen bedeutet hier zweierlei: Spielen auf lateinamerikanischen Schlaginstrumenten und darstellendes Spiel. Beim ersten liegt m. E. eine beträchtliche Überforderung durchschnittlich begabter SchülerInnen der Sekundarstufe I vor. Die Einführung der vielen, auch dem Fachmann z. T. unbekannten Instrumente und deren pedantische Eingliederung in Ensembles gehen über die beschränkten Möglichkeiten des Musikunterrichts weit hinaus! Desgleichen stellen die marginalen Differenzen von Samba, Rumba, Mambo, Cha Cha Cha und Bossa Nova ein Spezialwissen dar, das in der Schule keinen Platz hat. Gerade hier hätte es einer durchaus möglichen Beschränkung auf wesentliche Grundstrukturen bedurft.
Im Gegensatz dazu enthält das Kapitel „Improvisierte Szene“ sinnvolle, interessante und lohnende Aufgaben zu verschiedenen Darstellungen durch die SchülerInnen; besonders bestechend ist die Inszenierung des „Kopier-Tangos“, einer gelungenen Parodie auf eine Einrichtung in allen Schulen.
Die beigegebene Doppel-CD enthält einige Lieder und alle Tänze in aufwändigen Arrangements,
die sich zwar schön anhören, aber mit dem Schülermusizieren wenig zu tun haben. Die beiden Hefte mit Begleitungen bringen vielfältige Möglichkeiten für Lehrende und Schüler, die durchaus machbar sind. Allerdings hätte man sich die Melodien mit abgedruckt gewünscht. Der Lehrerkommentar ist eine Fundgrube für Fachwissen auf dem neuesten Stand.
Die Klangwerkstatt ist der Musiktheorie gewidmet. Sympathisch berührt der im Titel ausgedrückte Grundgedanke des Selbertuns, des Handelns mit musikalischem Material.
Der Weg ist zunächst ungewöhnlich: Vom Einzelton ausgehend über die kleine Sekunde den Tonraum zu erschließen überzeugt nicht ganz, zumal die Obertonreihe eingeführt wird (leider mit falscher Nummerierung!); über sie hätte man viel natürlicher die Ziele erreichen können. Auch das etwas sprunghafte Vorgehen wirft mehr Fragen auf als Sicherheit zu schaffen.
Der Teil „Form in der Musik“ ist besser ausgefallen. Wie hier – ausgehend von Elementarereignissen – Formbildung von den Schülern konkret erfahren werden kann, ist schon beeindruckend! Selbstbau von Musik aus Fertigteilen, grafische Kennzeichnung gehörter Musik und Vergleiche von Formteilen untereinander sind nur einige der einfallsreichen Methoden. Die Vergleiche mit der Bildenden Kunst führen zu ganz neuen Erkenntnissen. Der Lehrerkommentar enthält viele wertvolle und weiterführende Hinweise.
Alle Bände sind hervorragend ausgestattet, mehrfarbig gedruckt, reich bebildert und sehr gut gebunden. Insgesamt ein hoffnungsvolles Beginnen, dem man weiteren Erfolg wünscht!
Otto Junker