Mozart, Wolfgang Amadeus

Sonate A-Dur

für Klavier

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel 2017
erschienen in: üben & musizieren 1/2018 , Seite 61

In kurzer Folge erschienen drei neue Urtextausgaben von Mozarts Sonate KV 331: Auf Henle folgte die Wiener Urtext Edition, jetzt zog Bärenreiter nach. Weitere Verlage werden sicher folgen, denn der Fund eines Großteils des Autografs zu dieser Sonate (erster Satz ab Variation 3, zweiter Satz bis zum Triobeginn, nur der Schluss des Alla Turca war schon zuvor im Autograf bekannt) macht eine Neubewertung des bekannten Notentextes nötig: Eine Anzahl von Fehlern der Erstausgabe der Sonate, die bisher die maßgebliche Quelle war, sind zu korrigieren; umgekehrt bestätigt das Autograf Lesarten der Erstausgabe, die bislang für fehlerhaft gehalten und daher zumeist verbessert wurden.
Henle und Wiener Urtext sind sich, was die editorischen Konsequenzen aus dem Autografenfund angeht, in ihren Neuausgaben inhaltlich weitgehend einig. Beide Verlage haben neben professionellen SpielerInnen auch die große Zielgruppe von MusikschülerInnen, -studentInnen und LaienmusikerInnen im Blick und bieten gleichwohl für Konzert und Wissenschaft eine exzellente Textgrundlage. Alle notwendigen Textänderungen sind schlüssig in Fußnoten und kritischen Bemerkungen dargelegt; Wiener Urtext bringt darüber hinaus Interpretationshinweise von Robert Levin.
Bärenreiter verfährt dagegen vollkommen anders: Hier sind im Sinne einer Quellenedition die beiden Hauptquellen, also die Erstausgabe und die nun bekannten Teile des Autografs, getrennt ediert. Die Erstausgaben­edition korrigiert nur wenige offenkundige Fehler (wie rechnerisch zu lang geratene Takte der langsamen Variation), andere Stellen, von Henle und Wiener Urtext anhand des Autografs schlüssig verbessert, verbleiben dagegen in der Erstausgabenlesart – wenn auch kritisch kommentiert – stehen. Die NutzerInnen der Bärenreiter-Ausgabe sind aufgefordert, sich mit den hier wiedergegebenen Quellen auseinanderzusetzen und den Notentext, wie sie ihn spielen möchten, quasi selbst einzurichten. Für den Gebrauch im Unterricht und im Laienmusizieren ist dies weniger geeignet; vielmehr richtet Bärenreiter sich an Wissenschaft und Berufsmusiker, denen die Quellenlage so umfassend wie möglich zur eigenen Verwendung aufbereitet wird. Dazu passt auch, dass der Notentext auf Fingersätze verzichtet.
Zur Einführung versieht Bärenreiter die Edition mit einer ausführlichen Quellendiskussion sowie mit einem gründlichen und sehr lesenswerten Beitrag zur Aufführungspraxis. Diejenigen, die eine von herausgeberischen Entscheidungen weitgehend freie Quellenpräsentation suchen, werden hier in vorbildlicher Weise bedient.
In Anbetracht der unterschied­lichen Zielgruppen haben Henle und Wiener Urtext einerseits sowie Bärenreiter andererseits mustergültige Ausgaben vorgelegt, die vor allem eines belegen: Ein Spielen des althergebrachten Notentextes verbietet sich fortan, vor allem in Wettbewerb und Konzert!
Christian Ubber