Meyer, Raphael Benjamin

Safari

für sechs wilde Blockflöten (SSAATB), Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Heinrichshofen & Noetzel, Wilhelmshaven 2017
erschienen in: üben & musizieren 1/2018 , Seite 55

Eine Safari ist nicht ungefährlich – auch diese hier nicht: „Sechs wilde Blockflöten“, so der Autor Raphael Benjamin Meyer, werden benötigt, um die Safari durch- bzw. aufzuführen, und zwar zwei Sopran- (wahlweise Sopranino-), zwei Alt-, eine Tenor- und eine Bassblockflöte. Diese Sechs erleben in etwa acht Minuten den „Sonnenaufgang in der Steppe Afrikas“, einen „Vogelschwarm am Wasserloch“, „Gazellen auf der Flucht“, aber auch einen „Lö­wen auf Mittagsspaziergang“ und schließlich den „Durchmarsch der Elefantenherde“. Dabei handelt es sich jedoch nicht um unabhängige Stücke, sondern um Teile der Gesamtsafari, während derer die Titel der einzelnen Abschnitte vom Dirigenten oder einem Spieler vorgelesen werden sollen, ohne dass jedoch die Safari unterbrochen wird.
Nun ist die Gefahr, auf dieser besonderen Safari von einem Löwen verzehrt zu werden, vergleichsweise gering, dafür die Chance, aus der Kurve zu fliegen, relativ groß: Das Stück ist nämlich nicht ganz leicht. Es gibt zwar kleine Unterschiede – Sop­ran 1, Alt 1 und Bass sind sicher noch ein wenig anspruchsvoller als die anderen Stimmen –, doch insgesamt sollte man wohl keinen Anfänger mit auf diese Safari nehmen.
Für etwas fortgeschrittenere FlötenschülerInnen jedoch bietet das Stück interessante Lernmöglichkeiten und für die HörerInnen sicherlich spannende musikalisch-touristische Erfahrungen: Es beginnt damit, dass hier viele Rhythmen aus der traditionellen afrikanischen Musik auftauchen, welche die HörerInnen teils überraschen mögen, sie aber sicherlich zum Mitwippen animieren dürften. Und dann sind da natürlich die ungewöhnlichen Klangfarben: Der Klang einer Kalimba wird durch Halten eines Tons und kurze Einsprengsel eines anderen simuliert, nur mit dem Kopfstück der Flöte wird Vogelgezwitscher nachgeahmt, die Flatterzunge steht für flüchtende Gazellen, das gleichzeitige In-die-Blockflöte-Singen und -Blasen illustriert Vögel am Wasserloch. Artikulationsarten wie Sputato oder Staccato, das An-der-Flöte-Vorbeiblasen oder das Trommeln auf dem Instrument verklanglichen im Ensemble weitere Geräusche des afrikanischen Buschs.
Dabei müssen die SpielerInnen sehr gut zählen, denn rhythmisch hält jede Stimme ständige Überraschungen bereit, und obwohl sämtliche Abschnitte im eigentlich ganz zivilisierten 4/4-Takt notiert sind, kommt doch in rhythmischer Hinsicht keine Langeweile auf. Daneben reizt der Komponist den Ambitus der einzelnen Instrumente genussvoll aus, ein Blockflötensextett sollte also auch sorgfältig am Klang arbeiten, damit sich die Quietscher in Grenzen halten. Insgesamt entstehen dann aber ganz erstaunliche Effekte, von harmonisch-orgelartig bis schrill für hektischere Szenerien.
Ein schönes Stück für ambitionierte Flötengruppen mit Reiselust und ein bisschen Geduld beim Proben.
Andrea Braun