© Helene Roitinger

Roitinger, Helene

Schwingender Klang-Körper

Mit der Methode Eutonie Gerda Alexander zu freiem Klang

Rubrik: Praxis
erschienen in: üben & musizieren 1/2018 , Seite 24

Sobald sich der Körper in einer leichten, durchlässigen und damit freien Aufrichtung befindet, klingt es! Wir stehen unserem Körper nicht im Weg, ­sondern erlauben ihm, seiner Aufgabe nachzukommen: nämlich alle ­erforderlichen Feinabstimmun­gen für ein gelungenes Musizieren in Bruchteilen von Sekunden abzurufen und durchzuführen.

Die Methode Eutonie Gerda Alexander ist gerade für MusikerInnen überaus effektiv. Einfach anwendbar und durch entsprechende Übung integrierbar, ermöglicht sie, das individuelle künstlerische Potenzial voll auszuschöpfen und gleichzeitig den häufigen Beschwerden aufgrund hoher Belastungen vorzubeugen. Die zentrale Frage in der Eutonie lautet immer: „Was brauchen wir jetzt im Moment?“ Durch ihre Kreativität birgt die Eutonie Gerda Alexander die Chance für universelle Einsatzmöglichkeiten.

Harmonische Spannung

Grundlegend wurde die Eutonie (griechisch eu = gut, harmonisch, tonus = Spannung) von Gerda Alexander (1908-1994) zwischen 1930 und 1950 entwickelt. Mit der Bezeichnung ­ihrer Methode beschreibt Gerda Alexander – die im Übrigen nicht verwandt ist mit Frederick Matthias Alexander, dem Begründer der Alexandertechnik – den Kern ihrer Arbeit: ­einen harmonischen, ausgeglichenen Tonus (Spannungszustand) im gesamten Körper zu ermöglichen.
Aufgrund eigener körperlicher Beschwerden entdeckte Gerda Alexander, dass sie durch das Lenken der Aufmerksamkeit ihre Körperspannungen zur Selbstregulierung anregen konnte. In empirischen Forschungen entwickelte sie eine umfassende Methode, die die Selbstheilungskräfte mobilisiert und uns lehrt, Ökonomie in unseren Körpergebrauch und damit Leichtigkeit in die Bewegung zu bringen – eine besondere Form der Achtsamkeit für uns selbst und unseren Körper.
Die bewusste Auseinandersetzung mit unserem Körpertonus (Körperspannung) ist vergleichbar mit dem Erlernen eines Instruments. Es geht darum, die Spannung des Körpers zu regulieren und damit den Körper zu „stimmen“ wie ein Instrument. Dies geschieht durch das Lenken der Aufmerksamkeit auf die verschiedenen Strukturen des Körpers: ein Zuhören und Lauschen. (Ein Klavierstimmer erwähnte einmal, dass er das Klavier mehr mit seinem Bauch stimme als mit seinen Ohren. Denn sonst würde er sein Gehör überanstrengen und könne nicht mehrere Klaviere an einem Tag stimmen, ohne davon Schaden zu tragen.)
Ziel der Eutonie ist es, mit der eigenen Aufmerksamkeit den Körper selbst aktiv zu spüren und zu erleben. Diese Aufmerksamkeit hat die Qualität aktiven Zuhörens und wirkt wie ein körperliches Stimmen auf den gesamten Organismus: sich selbst interaktiv in einem Gespräch mit dem Körper erfahren – und sich im Umgang mit dem eigenen Körper ein Stück näher kennenlernen. Es entsteht eine tiefe Verbundenheit, die verstärktes Körperbewusstsein und Präsenz mit sich bringt. Die Selbstregulierung wird in Gang gesetzt und der Weisheit des Körpers wird Raum gegeben. Es entsteht ein verstärktes, ganzheitliches Wohlbefinden: Wir sind in „guter Stimmung“.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 1/2018.