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Dolge, Friedrich-Koh

Der Chef ist nicht immer schuld

Welchen Beitrag kann die Führung einer Musikschule zu einem guten Betriebsklima leisten?

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 1/2018 , musikschule )) DIREKT, Seite 02

Ein gutes Betriebsklima ist für einen lebendigen Bildungsorganismus, also auch für eine Musikschule, überlebenswichtig. Vor allem in Zeiten großer Um­wälzungen – etwa der globalen Digita­lisierung unserer Gesellschaft oder den Veränderungen in der Bildung hin zu Ganztagsschulen und -betreuung – ist ein gutes Betriebsklima unersetzlich, um sich diesen Herausforderungen gemeinsam als Team zu stellen.

Doch was genau ist eigentlich ein gutes Betriebsklima und wovon hängt es maß­geblich ab? Zunächst einmal beschreibt ein Betriebsklima die Qualität des langfristigen Zusammenwirkens und -arbeitens ­einer Belegschaft. Die Wahrnehmung und das Erleben eines Betriebsklimas sind natürlich subjektiv und beeinflussen wesentlich sowohl die Motivation der MitarbeiterInnen als auch die der Führung. Arbeitsfreude, Identifikation, Loyalität, Vertrauen sowie die Innovations- und Veränderungsbereitschaft hängen maßgeblich von einem guten Betriebsklima ab.
Veränderungen führen jedoch – das liegt am Selbstschutzmechanismus des Men­schen – immer zu emotionalen Reaktionen. Verlustängste, Ärger, Trauer, aber auch Neu­gier und Aufbruchstimmung können ausgelöst werden. Umso größer ist die Verantwortung der Musikschulführung, für ein gutes Betriebsklima Sorge zu tragen und damit letztlich die Fürsorgepflicht für ihre MitarbeiterInnen zu erfüllen.
Die Musikschulführung hat gleichermaßen die Aufgabe, den Betrieb einer Musikschule aufrechtzuerhalten wie die Verantwortung, ihre Belegschaft auf die Reise von Veränderungen und Innovationen mitzunehmen. Einerseits muss sie die Aufgabe wahrnehmen, das gesamte System der musikalischen Bildung im Blick zu haben und mit Weitblick ihre Institution strategisch auszurichten und zu steuern. Gleichzeitig ist es ihre Führungsverantwortung, Visionen aufzuzeigen, Ziele zu definieren, Impulse zu geben, zum richtigen Zeitpunkt entschieden Veränderungen anzustoßen und einzuleiten. Andererseits hat die Führung die Aufgabe, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Orientierung und Halt zu geben. Es ist eine wesentliche Führungs­aufgabe, für ein gutes Betriebsklima zu sorgen – als „Hefe“ in der musikalischen Bildung für Innovationen und Weiterentwicklung.

Strukturen sind wichtiger, als man denkt

Wichtige Grundvoraussetzungen für einen funktionierenden strukturellen Aufbau ebenso wie für einen reibungsarmen Betrieb einer Musikschule ist eine gelingende Kommunikation seitens der Leitung. Ein Leitungsteam, ob in einer kleinen oder gro­ßen Musikschule, bestehend aus Fachbereichsleitungen und/oder Stadtteilmusikschulleitungen, bildet hierbei das Grundfundament. Es ist die Führungsebene, die einen wesentlichen Beitrag in der Gesamtzielsetzung einer Musikschule leistet und für den wechselseitigen Informationsfluss zwischen Kollegium und Führung sorgt. Ein kooperativer oder moderierender Führungsstil, mit dem die Wertschätzung aller am musikalischen Bildungsprozess beteiligten Kräfte abgebildet wird, ist eine weitere Voraussetzung.

Sage mir, wie dein Führungsstil ist, und ich sage dir, wie es um dein Betriebsklima steht.

Die Installation eines Elternbeirats, einer Personalvertretung in Form eines Personalrats oder Betriebsrats, eines Vertrauenslehrers oder einer Musikschul-Schülervertretung tragen ebenfalls zu gelingender Kommunikation und zum effizienten Informationsfluss bei, um eine gute Betriebsatmosphäre aufrechtzuerhalten, sie stetig weiter­zuentwickeln und zu verbessern.
Eindeutige Aufgaben- und Kompetenzverteilung sowie eine klare Arbeitsplatzbeschreibung unterstützen Führungsprozesse, um damit auch das Ziel einer möglichst flachen Führungshierarchie zu erreichen. Ob diese Führungsprozesse in einer Mat­rixorganisation oder in einer klassisch-hierarchischen Abbildung umgesetzt werden sollen, muss vor Ort im Kontext des Umfelds bewertet und entschieden werden. Beide Formen können jedoch wesentlich dazu beitragen, die Kommunikation von der Belegschaft in die Führungsebene und umgekehrt zu gewährleisten. Also bottom up und top down! Ob diese strukturellen Voraussetzungen durchgängig gelebt werden, liegt jedoch in der Hand der Musikschulleitung und bildet damit auch die Führungsverantwortung maßgeblich ab.

Ich kann ja nichts dafür. Der Impuls muss doch von oben kommen.

Harmonische Atmosphäre ist noch kein gutes Betriebsklima

„Sage mir, wie dein Führungsstil ist, und ich sage dir, wie es um dein Betriebsklima steht.“ So oder ähnlich könnte man den Einfluss des Führungsverhaltens auf ein Betriebsklima beschreiben. Führung bedeutet daher auch, für eine gute „Unternehmenskultur“ zu sorgen und vor allem den Menschen im Blick zu haben. Im Gegensatz zum Management, das eher vom Pragmatismus geleitet ist, ist Führung durch­aus auch informell und emotional.

Unerheblich, ob moderierender oder kooperativer Führungsstil: Ein roter Faden in der Entscheidung ist das „A und O“ in der Führung. Es gibt fast nichts Demotivierenderes als nicht nachvollziehbare, intransparente, unfaire und ungerechte Entscheidungen. Mangelnde persönliche Anerkennung und Wertschätzung, Angst- und Miss­trauenskultur, Unberechenbarkeit und mangelnde Führung sowie fehlende Visionen und Missionen sind der gemeinsamen Identifikation mit der Musikschule und der Loyalität zu ihr nicht dienlich.
Dort, wo es angebracht ist, demokratische Prozesse einzuleiten, um einen partizipa­tiven Ansatz in der Entscheidungsfindung zu verfolgen, und ebenso dort, wo die Sach­lage es erfordert, eine klare Haltung einzunehmen, mit Mut zu handeln und Entscheidungen zu treffen, handelt es sich immer um große Herausforderungen an die Führung.

„Bringschuld“ und „Holschuld“

„Der Chef ist schuld, ich kann ja nichts dafür. Ich kann eh nichts ändern. Und der Impuls muss doch von oben kommen.“ Jeder und jede Vorgesetzte kennt diese unangenehmen und meist diffusen Aussagen. Es sind nicht allein die Führenden, die für ein gutes Betriebsklima Verantwortung tra­gen. Die Führung ist dabei wesentlich auf die Mitwirkung der Belegschaft angewiesen, auch wenn es an ihr liegt, die Mitverantwortung und -gestaltung bei den Mit­arbeiterinnen und Mitarbeitern in der Musikschule einzufordern.
Und das ist gar nicht so einfach! Genauso wie von Führungskräften erwartet wird, dass sie hinter den MitarbeiterInnen stehen und ihnen den Rücken stärken, muss die Führung das Gefühl zurückgespiegelt bekommen, vom Kollegium „getragen“ zu werden. Das bedeutet nicht, dass konst­ruktive Kritik – in beide Richtungen – nicht angebracht ist. Ganz im Gegenteil: Eine gute Feedbackkultur gehört in einer Musikschule zu den wesentlichen Grundbedingungen eines guten Betriebsklimas. Hierzu gehören regelmäßige Mitarbeiterumfragen, aber auch regelmäßige Mit­arbeitergespräche, um gemeinsam sowohl die beruflichen Situationen und Herausforderungen zu besprechen als auch individuelle Stärken, Wünsche und Vorstellungen zu erörtern.

Nobody is perfect – eine gesunde Fehlerkultur

Fehler passieren immer wieder und es gilt natürlich, sie möglichst zu vermeiden. Das Wichtigste ist jedoch, daraus zu lernen! Fehler einzugestehen, sie zu korrigieren und zu beheben, aber auch zuzulassen und konstruktiv damit umzugehen, ist eine weitere Gelingensbedingung. Ein gutes Betriebsklima, eine gute Unternehmenskultur, lässt Fehler zu. Das Zulassen von Fehlern gehört zum Teamgeist, um gemeinsam die Institution zukunftsgewandt weiterzuentwickeln.
Letztlich sind alle Akteure in der Musikschule für ein gutes Betriebsklima verantwortlich: der Träger, die Führung, die Verwaltung, das Kollegium, die SchülerInnen und auch die Eltern. Das vertrauensvolle Zusammenwirken aller ist es, was Musikschule ausmacht und sie für Beschäftigte wie für Lernende zu einem motivierenden und erfüllenden Arbeitsplatz ebenso wie zu einem spannenden und attraktiven Bildungsort macht!