Bossen, Anja

Soziale Gerechtigkeit?

Kommentar

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 3/2017 , musikschule )) DIREKT, Seite 01

Das Wahljahr 2017 steht im Zeichen sozialer Gerechtigkeit. Martin Schulz, Spitzenkandidat der SPD, soll es richten: hundert Prozent Martin Schulz = hundert Prozent Gerechtigkeit.1 Wer in diesem Land hart ar­beite, wer sich engagiere, wer für die Eltern oder für die Kinder da sei und sich dabei an die Regeln halte, der habe „unseren Respekt verdient“.2

Die Frage ist allerdings, was die SPD unter „Respekt“ versteht. Seit 1998 gibt es einen Ausschuss für Kultur und Medien im Deutschen Bundestag, der sich unter anderem die Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage von Künstlern zum Ziel gesetzt hat. Auf der Internetseite der Arbeitsgruppe „Kultur und Medien“ der SPD-Bundestagsfraktion findet sich zur Arbeit dieses Ausschusses ein euphorischer Text: „Viele wegweisende kultur- und medienpolitische Vorhaben wurden umgesetzt und die Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur sowie für Medien verbessert.“3

Doch warum merken diejenigen, die in diesen Bereichen arbeiten, dann nichts davon? Gehören Arbeitsbedingungen nicht zu den Rahmenbedingungen? Weshalb kommt jede aktuelle Studie zur wirtschaftlichen und sozialen Lage von Künstlern zu verheerenden Ergebnissen? Weshalb ist prekäre Beschäftigung im staatlichen Bildungs- und Kultursektor gang und gäbe? Von der bisher einzigen konkret ausgesprochenen Idee sozialer Gerechtigkeit des Martin Schulz, dem Arbeitslosengeld „Q“, werden nur ältere, festangestellte Menschen profitieren.

Wikipedia definiert soziale Gerechtigkeit übrigens folgendermaßen: „Der Begriff der sozialen Gerechtigkeit bezieht sich auf gesellschaftliche Zustände, die hinsichtlich ihrer relativen Verteilung von Rechten, Möglichkeiten und Ressourcen als fair oder gerecht bezeichnet werden können. Was genau Inhalt und Maßstab dieser Form von Gerechtigkeit sei, ist aber seit jeher umstritten und vielschichtig.“4

Na dann, liebe Honorarkräfte: Soziale Gerechtigkeit geht offenbar auch mit prekärer Be­schäftigung. Wir sind gespannt aufs Wahlprogramm. Ins­piration bieten sicherlich die Ergebnisse der 3. ver.di-Umfrage zu
Einkommenssituation und Arbeitsbedingungen von Musikschul- und ­Privatmusiklehrkräften. Der Fragebogen ist diesem Heft beigefügt und kann auch online unter https://musik.verdi.de/musikschulen/umfrage ausgefüllt werden.

1 https://martinschulz.spd.de/aktuelles/aktuelles/news/100-prozent-gerechtigkeit/19/03/2017
2 ebd.
3 http://www.spdfraktion.de/fraktion/arbeitsgruppen/arbeitsgruppe-kultur-medien
4 https://de.wikipedia.org/wiki/Soziale_Gerechtigkeit