Feldmann, Laura

Geometrie des Klavierspielens

Band 1

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: dreiklang***verlag, Hamburg 2014
erschienen in: üben & musizieren 4/2018 , Seite 54

Der vorliegende Band ist der erste aus einer Reihe von sieben geplanten, wobei sich natürlich sofort die Frage stellt, ob solch eine große Unternehmung wirklich sinnvoll ist. Der Überblick über die Themen der Folgebände im Vorwort bringt jedenfalls thematische Wiederholungen und eine nicht ganz einleuchtende Themenfolge.
Aber hier geht es zunächst um Band 1. Die Verfasserin nennt als Adressaten praktisch alle Klavier­spieler: Anfänger, Fortgeschrit­tene, KlavierpädagogInnen und SpielerInnen, die unter Handbeschwerden leiden – wobei man sagen muss, dass unter Anfängern nur Erwachsene gemeint sein können, denn es handelt sich hier um einen Textband, also keine Klavierschule mit Spielmaterial.
Im Mittelpunkt stehen Fragen von Sitz und Haltung am Instrument, die auch physiologische Aspekte und Erläuterungen zu geeigneten Klavierbänken einschließen. Anschließend wird das Spielen einer Tonleiter über das ganze Klavier minutiös beschrieben. Am Ende gibt es noch Hinweise zum Erlernen des Notenlesens und als Beilage zwei Seiten mit Anweisungen zur Benutzung des rechten Pedals.
Im Zentrum der Haltungsfragen stehen „Aufrichtung“ und „Zent­rierung“, es geht also um die zweifellos sehr sinnvolle gesamt­körperliche Einstellung und die Bestimmung des Körperschwerpunkts. Fotos und Strichmännchen illustrieren jeweils das Gesagte; etwas plakativ werden „richtig“ und „falsch“ außerdem durch rote (falsch) und gelbe (richtig) Emojis markiert.
Der zunächst durchaus Interesse weckende Titel der „Geometrie des Klavierspiels“ wird dann sehr buchstäblich genommen, indem die Positionierung von Händen und Armen zum Klavier ständig in Winkelgraden angegeben wird. Haltungsgrundsätze werden mehrfach in einer Checkliste mit acht bis 13 Unterpunkten zusammengefasst, die der Spieler, bevor er spielt, rekapitulieren soll. Dies, zusammen mit gelb unterlegten Definitionen und den erwähnten Emojis, hinterlässt einen leicht schulmeisterlichen Eindruck.
Außerdem sind einige Behauptungen zumindest diskussionswürdig: Heutige Klavierstühle sind nicht meist zu niedrig, eher ist das Gegenteil der Fall; auch neigen die SpielerInnen nicht vorwiegend zu einem Nach-hinten-Lehnen bei der Haltung, mindestens ebenso häufig wie dies und Hohlkreuz sieht man nach vorn gebückte Haltungen mit dem Kopf in Richtung Tastatur.
Als Kontaktpunkt zum Instrument wird der „unterste Mittelpunkt der Fingerkuppe“ benannt, das heißt der Punkt, der bei senkrechtem Aufsetzen des Finger­endglieds die Taste berührt. Das steht im Widerspruch zu allen praktischen Erfahrungen, nach denen das Fingerpolster, also der etwas weichere Teil der Fingerkuppe einen viel besseren Halt und eine feinfühligere Behandlung der Taste ermöglicht. Auf jeden Fall müsste man erwähnen, dass der Kontaktpunkt je nach gewünschtem Klang variieren kann.
Es gibt insgesamt wenig Hinweise auf den angestrebten Klang („schwingend“, „transparent“, nicht hart). Dass „der Anschlag in den Tastengrund sinkt“, ist eine Formulierung, die zeigt, dass die Verfasserin nicht an den Auslösepunkt der Mechanik denkt. Als negativ wird öfter der Rückstoß vom Instrument dargestellt, dabei geht es doch eigentlich um die Art und Weise, wie dieser immer existierende Rückstoß am besten aufgefangen wird, damit er nicht zu Härten des Klangs führt. Nach Meinung der Verfasserin soll sich der Spieler nicht vom Instrument abstoßen, aber genau das ist für bestimmte Artikulationsformen ja nötig. Gut beschrieben wird die technische Seite des Legatos, wo sich die Finger am Tastengrund „treffen“ und der Spieler vor allem das Aufheben des jeweils vorherigen Fingers fokussieren muss, damit es weder zu große Überlappungen noch Lücken zwischen den Tönen gibt.
Insgesamt wird das Bemühen der Verfasserin um Präzision durch zu viele Details bei der Beschreibung der Abläufe eher erschwert; so besteht die Gefahr, dass die körperliche Geschicklichkeit der SpielerInnen gehemmt wird.
Linde Großmann