Pfatschbacher, Friedrich

Der Klarinettenchor

Eine spezielle Ensembleform erobert die internationalen Konzertbühnen

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: tredition, Hamburg 2017
erschienen in: üben & musizieren 4/2018 , Seite 54

Der Klarinettenchor ist eine recht junge Ensembleform, welche die musikalischen Vorzüge eines aus­gewogenen vierstimmigen Satzes mit entsprechender klang­licher Ausgestaltung durch die Verwendung aller Instrumente der Klarinettenfamilie – von der Es-Klarinette und B/A-Klarinette über das Bassetthorn bis hin zur Bassklarinette/Kontrabassklarinette – verbindet.
Die Entstehungsgeschichte des Klarinettenchors war bislang noch wenig erforscht. Dieser Aufgabe hat sich der österreichische Klarinettist Friedrich Pfatschbacher in seiner Dissertation gestellt, die erstmals 2005 erschienen ist. Jetzt hat er eine zweite, ergänzte Auflage seiner faktenreichen ­Untersuchung vorgelegt. Sie basiert vor allem auf englischsprachigen bzw. amerika­nischen Aufsätzen, da die Ursprünge des Klarinettenchors im amerikanischen Blasorchesterwesen zu finden sind.
Pfatschbacher legt anhand von tabellarischen Übersichten dar, dass sich in den Blasorchestern die Anzahl der Klarinetteninstrumente und der Klangraum durch die Hinzunahme der Bass-und Kontrabassklarinette vergrößert und somit das Klarinettenregister an Bedeutung gewonnen hat. Von dort führte dann der Weg zur selbstständigen Besetzungsform.
Der erste nur mit Instrumenten der Klarinettenfamilie besetzte größere Klangkörper wird aber in Europa nachgewiesen. Der Brüsseler Klarinettenlehrer Gustave Poncelet hatte Ende des 19. Jahrhunderts ein 35-köpfiges Klarinettenorchester zusammengestellt. Die ersten festen Gründungen erfolgten seit den 1920er Jahren in den USA, von denen das 1927 gegründete Simeon Bellison Clarinetensemb­le das bekannteste war. Seit etwa 1950 hat sich der Begriff „Klarinettenchor“ etabliert. Die meisten Gründungen in Amerika erfolgten aus pädagogischen Erwägungen, um z. B. das Zusammenspiel zu fördern. Als wich­tiger Mentor in dieser Hinsicht wird Norman Heim erwähnt, der den Einsatz auch in den amerikanischen Schulen als wichtiges Anliegen hervorhebt.
In Europa erfolgte die erste Grün­dung eines Klarinettenchors 1970 in England, eine Blütezeit wird dann für die Benelux-Länder ab 1980 festgestellt. Dort sind Klarinettenchöre inzwischen ein fester Bestandteil der Musikszene, an der Laien einen großen Anteil haben. Ein Kapitel widmet sich der Entwicklung ab 2005 und rückt den Österreichi­schen Klarinettenchor ins Blickfeld. Ergänzend sei hinzugefügt, dass die Deutsche Klarinetten-Gesellschaft mit der Grün­dung ihres überregionalen Chors 2002 hierzulande der Initiator für die Bildung weiterer Chören ist.
Der Abschnitt über die stilistische Entwicklung der Kompositionen für Klarinettenchor bleibt hinter den Erwartungen zurück, da überwiegend biografische Angaben zu Arrangeuren und wenigen Komponisten sowie zu Besetzungsmodalitäten gemacht, Werke selbst aber nur erwähnt und nicht stilistisch eingeordnet und beschrieben werden. Hier hätte man konkrete Beispiele z.B. für gelungenes Arrangieren erwartet. Von Interesse für die Praxis sind die aufgezeigten verschiedenen Modelle für die Sitzanordnung, während sich die Frage nach gattungsgeschicht­lichen Zusammenhängen schon auf Grund der Begriffsdefinition erübrigt.
Der Autor beschließt seine Untersuchung mit einer knapp 500 Titel umfassenden alphabetischen Werkliste, die allerdings nur Angaben zu Komponist (ohne Lebensdaten), Werktitel (eventuell Bearbeiter) und Verlag enthält. Hilfreicher wäre eine Aufteilung in originale Werke und Arrangements, zumal die Entwicklung und Anerkennung des Klarinettenchors als „eigenständiges Konzert-Ensemble“ insbesondere von guter Originalliteratur abhängig ist, wie der Autor richtig resümiert.
Heribert Haase