Wieser, Martin

Lust auf ein Musikinstrument?

Was Kinder und Jugendliche motiviert, ein Musikinstrument zu lernen und zu spielen

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Waxmann, Münster 2018
erschienen in: üben & musizieren 1/2019 , Seite 54

Ist es die Musik selbst, die einen jungen Menschen dazu bewegt, ein Musikinstrument zu lernen und zu spielen? Oder das Instrument als solches, sein Klang, seine Technik? Oder die Anregung und Förderung durch die Eltern, eine Lehrperson, einen Freund? Oder die Aussicht, in einer Gemeinschaft eine attraktive Rolle zu spielen und dabei Freude und Anerkennung zu erleben? Wie entwickeln sich solche Arten von Motivationen, wie werden sie gestärkt und im ungünstigen Fall gestört? Und was genau ist mit Motivation gemeint?
Solche Fragen werden in der vorliegenden Dissertation (Alpen-Adria-Universität Klagenfurt) er­örtert und schließlich mit Hilfe einer groß angelegten quantitativ-empirischen Studie auf spezifische Weise beleuchtet. Im Zent­rum der Argumentation steht die Selbstbestimmungstheorie (SDT – Self-Determination Theory) der US-Wissenschaftler Edward L. Deci und Richard M. Ryan, die am überzeugendsten ausgearbeitete prozess- wie auch inhaltsorientierte Motivationstheorie.
Als förderlich erweist sich bereits die differenziertere Betrachtung der meist zu sehr vereinfachenden Gegenüberstellung von intrinsischer und extrinsischer Motivation und, damit verbunden, des Kontinuums zwischen Kont­rolle und Selbstbestimmung: Amotivation – externale, introjizierte, identifizierte, integrierte Regulation – intrinsische Motivation. Mit Blick auf dieses Kontinuum untersucht Wieser die Auswirkungen der eher autonomen Motivation im Unterschied zur eher kontrollierten Motiva­tion auf das Spielen eines Musikinstruments.
All diesen Überlegungen zugrunde liegen als entscheidende Faktoren die grundlegenden Bedürfnisse von Menschen, die „Basic Needs“: Autonomie (Selbstbestimmung, Handlungsspielraum), Kompetenz (Selbstwirksamkeit, Eigenverantwortung, Zuständigkeit) und soziale Eingebundenheit (Zugehörigkeit, Identifika­tion, Akzeptanz). Die Lust, die Bereitschaft und die Befähigung zum Erlernen und Spielen eines Musikinstruments hängen wesentlich von der Art und der Qualität der Befriedigung dieser Bedürfnisse ab. In der empirischen Studie wird erforscht, wie die Eltern, die Lehrpersonen und die Peers diese Bedürfnisse befriedigen oder vernachlässigen. Die Fokussierung auf das „SDT“-Konzept einschließlich der Hinzunahme weiterer verwandter Gedankengebäude gibt der Studie viel Überzeugungskraft.
Allein die Beschäftigung mit den theoretischen Teilen des Buchs ist höchst anregend. Das Lesen der dargestellten Forschungs­ergebnisse und ihrer Auswertung wird erleichtert durch Kurzzusammenfassungen in den jeweiligen Unterkapiteln. Wieweit die Erkenntnisse der Studie über Kärnten hinaus verallgemeinerbar sind, muss eine offene Frage bleiben. Es ist aber zu hoffen, dass weitere Untersuchungen, womöglich Langzeitstudien, weiteres Licht in die Frage der Motivation zum lustvollen Instrumentalspiel bringen.
Franz Niermann