Bartók, Béla

44 Duos für zwei Violoncelli

Heft 1: 1-25 / Heft 2: 26-44

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Pan, Basel/Kassel 2018
erschienen in: üben & musizieren 1/2019 , Seite 59

Endlich! Alle 44 Bartók-Duos in einer Ausgabe für zwei Violoncelli. An diesem Meisterwerk – Bartók schrieb seine Duos für zwei Violinen 1931 auf Anregung des Musikpädagogen Erich Doflein – konnten CellistInnen bisher nur mit Hilfe jener Auswahl von 18 Duos partizipieren, die der Wiener Cellist Walter Kurz 1958 für das tiefere Streichins­t­rument adaptierte. Doch auch in dieser reduzierten Ausgabe (wie das Original in der Universal Edition erschienen) zählen die Preziosen zum Kernrepertoire cellistischer Unterrichtsliteratur.
Den Anregungen Dofleins folgend, der sich „eine Schule des stimmlichen Hörens“ gewünscht hatte, schuf Bartók aus einfachen Bausteinen Musterbeispiele kontrapunktischen Musizierens. Zugleich schärfte der Komponist konsequent die Sinne der Spieler und Zuhörer für Polytonalität und Polyrhythmik. Die beiden Stimmen sind zugleich eng aufeinander bezogen und höchst selbstständig. Im Bereich der Tonalität geht diese Radikalität gelegentlich so weit, dass die Stimmen dezidiert in verschiedenen Tonarten spielen.
Doch Vorsicht! Nach anfänglichem Enthusiasmus über die Erfüllung eines Desiderats – einer komplettierten Cello-Edition – könnte sich bald Ernüchterung einstellen: Anders als Kurz, der sich auch in den transponierten Versionen eng an die Originale hielt, gehen die Herausgeber der vorliegenden Edition des Pan-Verlags andere Wege: Mittels Transpositionen und vor allem Erweiterungen des Tonraums ver­pflanzen sie die Duos in Bereiche des Lagenspiels, die durchaus fortgeschritteneren Unterrichts-Levels zugeordnet werden müssen. Über den Bereich der Halslagen hinaus wird von 5., 6. und 7. Lage sowie unterschied­lichen Daumenpositionen Gebrauch gemacht. Und zu diesem Zweck muss die Lesekompetenz der SpielerInnen auch Tenor- und Violinschlüssel umfassen. In den Worten der HerausgeberInnen Barbara Gabler und Felix Krämer bieten die Duos in dieser Form „auf einem höheren Niveau für das Cello, was sie auch für die Geige waren: Etüden für klang­liche und spieltechnische Anforderungen und eine reiche […] Auswahl an Spiel- und Vortragsstücken“.
Es bliebe zu ergänzen: auf einem deutlich höheren Niveau! Die Ad­ressatInnen dieser Celloversion sind gleichsam Jahre älter als jene Zielgruppe, die Doflein und Bartók im Auge hatten. Bei allen kontrapunktischen Vertracktheiten der Stücke ist immer zu bedenken, dass sie in ihrer Originalversion für zwei Violinen komplett in der 1. Lage gespielt werden können! Walter Kurz kommt dieser Tatsache insofern nahe, als seine Celloversion nicht über e’ hinausgeht. Anders Gabler/Krämer: Hier werden aus den Duos bisweilen Virtuosenstücke. Gewiss: Die Musik bleibt auch in dieser Version gut! Es wäre nur zu wünschen, dass die wirkliche Lücke – jene 26 Duos, die Walter Kurz nicht übertragen hat – für dürstende CellistInnen in einer dem Original nahekommenden Fassung noch geschlossen werden möge.
Gerhard Anders