Rachmaninov, Sergej

Vocalise op. 34 Nr. 14

bearb. für Bratsche und Klavier von Wolfgang Birtel

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Dohr, Köln 2017
erschienen in: üben & musizieren 2/2019 , Seite 59

Rachmaninovs Vocalise zählt zu seinen populärsten Stücken. Des­halb verwundert es nicht, dass es zahlreiche Bearbeitungen gibt: Die Bearbeitungen für Gesang und Orchester und für Orchester allein fertigte der Komponist selbst an; zahlreiche weitere für Violoncello oder Saxofon kamen später hinzu. In der Tat kann die Vocalise, die durchaus die „Ohrwurmqualität“ von Popularmusik hat, auf jedem Melodieinst­rument gespielt werden. Das gilt selbstverständlich auch für die Bratsche, die den elegischen Charakter dieser Melodie wunderbar einfangen kann.
Bearbeitungen für Bratsche bieten IMC (Leonard Davis) und Boosey & Hawkes (Paul Silverthorne) seit Längerem an. Nun legt der Verlag Dohr, der sich verdienstvoll um eine Erweiterung des Bratschenrepertoirs kümmert, eine weitere Ausgabe vor. Diese beschränkt sich puristisch auf das Notenmaterial. Es gibt keinen Editionsbericht, man erfährt nichts über den Urtext, das Werk selbst oder seinen Schöpfer. Doch wer ein Werk erarbeitet, benötigt Informationen. Beispielsweise ist es für BratschistInnen nützlich zu wissen, dass dieses Stück ursprünglich für eine Opernsängerin komponiert wurde.
Gerade wenn es schon Ausgaben gibt, stellt sich die Frage, welchen Sinn eine neue Edition macht, die keinen Mehrwert bietet. Doch für diejenigen, denen das Notenmaterial allein genügt, ist diese Ausgabe eine solide Arbeitsgrundlage. Dass anstelle von cis-Moll im Urtext hier d-Moll gewählt wurde, erleichtert das Spiel. Der Notentext ist in der Violastimme übersichtlich, groß und klar gedruckt. Dies gilt im Prinzip auch für den Klavierpart, der allerdings auf Seite 6 etwas zusammengepresst wirkt, da hier vier anstelle von ansonsten drei Akkoladen untergebracht sind.
Allerdings stellt sich bei der Bearbeitung von Wolfgang Birtel die Frage, warum hier der Klavierpart so hoch gesetzt wurde, dass zum Teil die Noten der rechten Hand über denen der Melodie in der Viola liegen und zum Beispiel der Beginn ohne Bass in der linken Hand gleichsam impressionistisch schwebend wirkt. Für den Vortrag im Konzert erscheint mir dies gefährlich: Die Bratsche wird hier nicht von der Begleitung im Klavier getragen, sie ist vielmehr eingebettet und hat so Schwierigkeiten, ihre Stimme hervorleuchten zu lassen.
Auch erscheint mir das streckenweise Fehlen eines Bassfundaments bei diesem Stück verfehlt; denn es handelt sich bei Rachmaninovs Vocalise keineswegs um impressionistische Klangmalerei. Im Originaltext ist dies anders: Dort befindet sich die Singstimme über dem Klavierpart. Die Bearbeitungen von Leonard Davis und Paul Silverthorne richten sich hier nach dem Urtext. Wer dieses Stück im Konzertsaal aufführen will, findet in diesen Ausgaben eine musikalisch über­zeugendere Bearbeitung.
Franzpeter Messme