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Dorn, Frank

MusikKulturUnterricht

Über die Herausforderung, interkulturellen Musikunterricht zu gestalten

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 3/2019 , Seite 10

Die Planung und Durchführung von interkulturell angelegtem ­Musik­unterricht stellen spezifische Anfor­derungen an SchülerInnen und LehrerInnen. Frank Dorn weist auf mögliche Stolpersteine hin und nennt Aspekte, die bei der Thema­tisierung fremder Musik­kulturen sowohl im schulischen Fachunter­richt Musik als auch in musizierpraktischen Angeboten beachtet ­werden sollten.

Das Bewusstsein für kulturelle Vielfalt in der Musik wurde in zahlreichen musikpädagogischen Arbeiten und musikdidaktischen Materialien der vergangenen Jahre immer weiter herausgebildet. Unter den beiden Oberbegriffen interkulturelle und transkulturelle Musikpädagogik erschienen zahlreiche Veröffentlichungen, die allesamt die Auseinandersetzung mit fremden bzw. unbekannten Kulturen oder Kulturkomponenten zum Ziel haben. Trotz ihres gemeinsamen Ziels werden individuell höchst unterschiedliche Wege eingeschlagen, sich diesem Thema und seiner Konsequenzen für die Gestaltung des Musikunterrichts zu nähern.
Schon das Kulturverständnis der AutorInnen, welches sicherlich wesentlichen Einfluss auf diese Thematik hat, ist keinesfalls deckungsgleich. Stellenweise werden Kulturen über Regionen, Ethnien oder Religionen eingegrenzt, andernorts wird ein vielseitigerer, an Werten oder Vorstellungen orientierter Kulturbegriff angewendet. Letzterer erlaubt es beispielsweise, auch Jugendkulturen in diese Konzepte zu integrieren. Die Breite und Flexibilität des Verständnisses von Kultur hat also Konsequenzen auf die Ausrichtung des inter- bzw. transkulturellen Musikunterrichts, weshalb eine Begriffsklärung notwendig ist.

Trans- oder interkulturell?

Während sich ein Großteil der aktuellen musikpädagogischen Fachliteratur zum kultursensiblen Unterricht auf den Begriff Interkulturalität stützt, präferieren manche AutorInnen den Begriff Transkulturalität. Letzterer wurde von dem Philosophen Wolfgang Welsch geprägt und von der Musikpädagogik adaptiert.1 Er hebt stärker den aktuell vorherrschenden Zustand der Kulturdurchdringung und -verflechtung hervor. In einer transkulturellen Gesellschaft wird selbstverständlich von einer kulturellen Durchdringung sowohl auf Makroebene (den Gesellschaftsgruppen an sich) als auch auf Mikroebene (dem einzelnen Individuum) und von einer globalisierten Welt ausgegangen. Vertreter des transkulturellen Kulturbegriffs kritisieren, dass diese Feststellungen im Konzept Interkulturalität fehlen und dieses daher überholt sei. Dabei wird jedoch außer Acht gelassen, dass auch der Begriff Interkulturalität eine Weiterentwicklung in diese Richtung erfahren hat.
Bei aller Notwendigkeit einer fundierten Begriffsklärung: Wendet man den Blick ab von den Begriffen und hin zur Unterrichtspraxis, so ist es fraglich, ob die erwähnten Unterschiede von Trans- und Interkulturalität im Musikunterricht überhaupt relevant sind oder man nicht eher beiden Konzepten gleichermaßen entspricht, wenn SchülerInnen sich mit einer ihnen unbekannten Musikkultur reflektiert auseinandersetzen und dabei einen Bezug zu ihrer eigenen Kultur herstellen. Ich werde im Folgenden zur besseren Lesbarkeit ausschließlich den Begriff interkultureller Musikunterricht verwenden, wobei die Aussagen dieses Artikels auch für transkulturellen Musikunterricht zutreffen.

Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis

Möchte man als Musikpädagoge die Erkenntnisse des wissenschaftlichen Diskurses in seine tägliche praktische Arbeit einfließen lassen, muss man sich von der Hoffnung auf die eine Leitlinie oder das eine Konzept verabschieden. Doch nicht nur die anzutreffende Kont­roverse im wissenschaftlichen Diskurs, welche ja an sich als sehr positiv bewertet werden sollte, erschwert die praktische Realisierung. Auch weitere Herausforderungen in der didaktischen Ausgestaltung interkulturellen Musikunterrichts wollen berücksichtigt werden. Leider wird in theoretischen Abhandlungen stellenweise nicht oder zumindest zu wenig bedacht, dass die Bedingungen für gelungenen interkulturellen Musikunterricht in der Praxis nicht immer leicht herzustellen sind.

1 Wolfgang Welsch: „Was ist eigentlich Transkulturalität?“, in: Lucyna Darowska et al. (Hg.): Hochschule als transkultureller Raum?, Bielefeld 2010, S. 29-66.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 3/2019.