© Inken Kuntze-Osterwind

Lessing, Kolja

Orientalisch gefärbt

Mordecai Seters „Easy Duets for 2 Violins“: ein Juwel nicht nur für den Anfangsunterricht

Rubrik: Praxis
erschienen in: üben & musizieren 3/2019 , Seite 24

Der israelische Kom­ponist Mordecai Seter hat seine „Easy Duets for 2 Violins“ fantasievoll als Minia­turen für den Anfangsunterricht gestaltet – die sich ­gleichermaßen im Konzert­saal als Musik von unmittelbarer suggestiver Wirkung bewähren. Kolja Lessing betrachtet an drei ­ausgewählten Duos im Detail, welch vielfältige Annäherungen und Assoziationen möglich sind.

Die Genese der israelischen Musik hat ihre Wurzeln in den beiden Jahrzehnten vor der Gründung des Staates Israel 1948. Gerade in den 1930er Jahren kamen etliche Komponisten wie Paul Ben-Haim, Alexander Boskovitch, Abel Ehrlich, Ödön Partos, Joachim Stutschewsky und Josef Tal auf der Flucht vor den Nationalsozialisten nach Palästina und leisteten dort einen immensen Beitrag zum Aufbau einer umfassenden Musikkultur. Ebenso schufen zwei Geiger die Basis für ein Musikleben nach europäischem Vorbild: Bronisl´aw Huberman 1936 mit der Gründung des Palestine Orchestra, dem später weltberühmten Israel Philharmonic Orchestra, sowie Emil Hauser mit der gleichzeitigen Institutionalisierung des Jerusalem Conservatory for Music.
So ist es kaum verwunderlich, dass in den ersten Jahren nach der Staatsgründung viele Violinwerke von erstaunlicher Originalität in Israel entstanden – getragen von der Vision einer neuen musikalischen Identität im Bewusstsein der jahrtausendealten Tradition jüdischen Gesangs. Die meisten dieser Violinwerke wurden von Lorand Fenyves, dem Konzertmeister des Israel Philharmonic Orchestra, und seiner Schwester Alice uraufgeführt, die ihrerseits während des Studiums an der Musikakademie Budapest Anfang der 1930er Jahre die erste interne Aufführung der 44 Duos für 2 Violinen von Béla Bartók für den Komponisten spielten.
Mordecai Seters (1916-1994) Sammlung A Due e a Tre stellt gleichsam eine orientalische Fort­setzung der von der Volksmusik Südosteuropas geprägten Violinduos von Bartók dar. Sie besteht aus drei in progressiver Schwierigkeit angelegten Heften, die in den frühen 1950er Jahren in folgender Anordnung entstanden: I. Easy Duets, II. Progressive Duets and Trios, III. Duetti Virtuosi. Erschienen sind diese Juwelen pädagogischer Violinliteratur beim Israel Music Institute (IMI) – die Auslieferung erfolgt über Peer Musikverlag –, wo auch das Gesamtwerk Seters mit mehreren gewichtigen Beiträgen zur Violin- bzw. Kammermusik verlegt ist.

Herausragender ­Individualist

Nicht nur die überragende Originalität seiner Werke zeichnet Mordecai Seter als heraus­ragenden Individualisten in der jungen Musikgeschichte des Staates Israel aus. Mit seiner Herkunft aus Noworossijsk in Russland, seiner frühen Einwanderung 1926 nach Palästina und seiner damit verbundenen Selbstverständlichkeit im Umgang mit der hebräischen Sprache unterscheidet sich Seters Lebensweg grundlegend von dem seiner erst später eingewanderten Komponistenkollegen. Zudem wählte er als einziger israelischer Komponist seiner Generation Paris als Studienort, wo er 1934/35 bei Paul Dukas, dem überaus selbstkritischen Klangmagier jüdischer Herkunft, und nach dessen Tod für zwei weitere Jahre bei Nadia Boulanger studierte. Stilweisend wurde für Seter die Begegnung mit dem Gregorianischen Gesang, dessen melodische Nähe zu Tzvi Idelssohns Thesaurus of Hebrew Oriental Melodies er rasch erkannte.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 3/2019.