Clausen, Bernd / Susanne Dreßler (Hg.)

Soziale Aspekte des Musiklernens

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Waxmann, Münster 2018
erschienen in: üben & musizieren 3/2019 , Seite 49

Die von Bernd Clausen und Susanne Dreßler herausgegebene Dokumentation der AMPF-Tagung 2017 zum Thema „Soziale Aspekte des Musiklernens“ bietet einen Einblick in das Repertoire derzeit als relevant erachteter einschlägiger Forschungen, wobei „das Soziale“ vor allem anhand von Leitbegriffen thematisiert wird. Die methodische Ausrichtung reicht von empirischen (quantitativen und qualitativen) Ansätzen bis zu theoretischen Reflexionen.
Nach einer „Vorbemerkung“ der Herausgeber setzt R. Wright politische Akzente und fordert eine Anpassung der „Music educa­tion“ an den gesellschaftlichen Wandel und die Überwindung kultureller Hegemonie durch diverse Musikpraxen. Auch für O. Blanchard ist die Musikpädagogik ein problematisches, hegemoniales System, weil es u.a. Unterschiede kulturalisiere. P. Dyndahl, S. Karlsen, S. Graabræk Nielsen und O. S. Skårberg kritisieren eine tendenzielle Bevorzugung etablierter Inhalte in der norwegischen Forschung durch männliche „Geschmacks­polizisten“, was sie als Gentrifizierung rubrizieren. Im Reigen der empirischen Arbeiten präsentiert M. Godau eine Studie zur Nutzung von Instrumenten und Materialien durch eine verunsicherte Gruppe „angehender Lehrkräfte“ und eine weitere Studie zu Formen gemeinschaftlichen Agierens im Klassenmusizieren. M. Godau und D. Fiedler stellen einen Fragebogen zur Selbsteinschätzung musikpädagogischer Professionalität von Lehrkräften auf den Prüfstand.
Professionelle Kooperation in Kitas wird von L. Oberhaus und A. Kivi thematisiert. D. Züchner, S. Düerkop und K. S. Lothwesen plädieren für eine offene Improvisationspraxis im Musikunterricht. Mit der Konstruktion und Beforschung von Selbstkonzepten befassen sich D. Fiedler und J. Hasselhorn, aber auch G. Schellberg sowie unter Berücksichtigung eines komplexen Kompetenzbegriffs V. Hofbauer und C. Harnischmacher. Anerkennungsprozesse in Gruppenaktivitäten untersucht K. Heberle. Kommunikative Bedeutungskonstruktion wird von S. Orgass expliziert. Fraglich bleibt jedoch, ob „Kommunikation“ mit oder ohne theoretische Erweiterungen als Basis für eine Dimensionierung von Musikunterricht insgesamt fungieren kann.
M. Herzog übernimmt das Konstrukt der Bedeutungskonstruktion für ihre Sicht auf inklusives Klassenmusizieren. A. Kivi favorisiert einen fachübergreifenden Musikunterricht, P. W. Schatt und M. Sachsse votieren für eine umfassende Teilhabe an Neuer Musik. M. Stroh fordert mit politischen Intentionen eine erfahrungsbasierte Forschung. Die Facette der Genderorientierung in der Geschichte des Konservatoriums heben A. Babbe und F. Hoffmann hervor.
Nach der Lektüre des Bandes erinnert man sich an einen Gedanken aus der „Vorbemerkung“: „Eine Disziplin, die sich in Ausschnitten und Mikrostudien verliert, setzt sich der Gefahr aus, unverständlich und bisweilen sogar irrelevant zu werden.“
Reinhard Schneider