Raff, Joachim

Klaviersonaten

op. 14 und op. 168, hg. von Ulrich Mahlert

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 2019
erschienen in: üben & musizieren 3/2019 , Seite 57

Joachim Raff (1822-1882) stammte aus Lachen bei Zürich. Nach dem Besuch des Jesuitenkollegs in Schwyz arbeitete er zunächst als Primarschullehrer, gab diesen Beruf jedoch schon 1844 auf, um sich ganz dem Komponieren zu widmen, das er weitgehend autodidaktisch erlernt hatte. Im selben Jahr erschienen auf Empfehlung Felix Mendelssohn Bartholdys seine ersten Klavierwerke bei Breitkopf & Härtel.
Es dauerte jedoch lange, bis Raff sich als Komponist etablieren konnte. Nach Stationen als Musikalienhändler in Köln, Klavierlehrer in Stuttgart und Assistent von Franz Liszt in Weimar zog er 1856 nach Wiesbaden, wo seine Frau als Schauspielerin arbeitete. 1863 gewann er einen Kompositionswettbewerb der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Dieser Erfolg verhalf ihm zu größerer Bekanntheit, und in den 1870er Jahren zählte er zu den meistgespielten Komponisten seiner Zeit. 1877 wurde er Gründungsdirektor des Dr. Hoch’ schen Konservatoriums in Frankfurt, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1882 Komposition unterrichtete.
Mehr als 100 seiner insgesamt 216 Kompositionen mit Opuszahlen sind Solo-Klavierwerke, darunter viele gefällige, salonhafte Stücke, die zu ihrer Zeit beliebt waren, dann aber rasch vergessen wurden. Raff hatte jedoch von Beginn an die Ambition, auch zu den anspruchsvollen Musikgattungen seinen Beitrag zu leisten. Seine drei Klaviersonaten geben dafür ein schönes Beispiel.
Hinter der Opuszahl 14 verbergen sich zwei unterschiedliche Sonaten, die im Abstand von 37 Jahren komponiert wurden. Als für die im Jahr 1844 bei Breitkopf & Härtel erschienene erste Sonate eine Neuauflage nötig wurde, wandte sich der Verlag an Raff mit der Bitte um eine Revi­sion und erhielt daraufhin ein völlig neues Werk, das mit dem ursprünglichen op. 14 nur die Ton­art es-Moll gemeinsam hat. Zeitlich dazwischen liegt die Fantasie-Sonate op. 168 in d-Moll (erschienen 1872).
Alle drei Sonaten zeigen die unerschöpfliche Fantasie des Komponisten ebenso wie seine große satztechnische Meisterschaft. Bei durchaus virtuosen Ansprüchen sind sie pianistisch wirkungsvoll komponiert. Stilelemente anderer Komponisten – vor allem Mendelssohns und Liszts – klingen immer wieder durch, doch gelingt es Raff, sich diese anzuverwandeln und etwas Eigenes daraus zu formen.
Die in der Breitkopf-Urtext-Reihe erschienene Neuausgabe von Ulrich Mahlert besticht vor allem durch das exzellent geschrie­bene Vorwort. Der Herausgeber beschreibt alle drei Werke detailliert, macht auf kompositorische Besonderheiten aufmerksam und zeichnet den Empfindungsgang der Sätze nach. So gibt er dem Pianisten, der sich mit dieser reizvollen Musik beschäftigen will, manche wertvolle Hilfe. Die editorische Qualität der Ausgabe und das schöne Notenbild lassen keine Wünsche offen.
Sigrid Naumann