Wittrich, Peter

Der kleine Prinz

Poetische Miniaturen für Klavier

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2018
erschienen in: üben & musizieren 3/2019 , Seite 57

Seit seiner Veröffentlichung im Jahre 1943, also kurz vor dem geheimnisumwitterten Absturz-Tod des als Militärflieger im Zweiten Weltkrieg eingesetzten französischen Dichters Antoine de Saint-Exupéry (1900-1944), hat dessen rund 100 Seiten starkes Buch über den scheinbar naiven kleinen „Philosophen“ vom imaginären Asteroiden B 612 und seine Erlebnisse zahllose Leser aller Altersstufen in der ganzen Welt bewegt.
In 21 kurzen, im unteren bis mittleren Schwierigkeitsgrad liegenden, „generationsübergreifend“ adressierten Klavierstücken unternimmt es Peter Wittrich, die märchenhaften Stationen des „Prinzen“ musikalisch nachzuzeichnen, den „Flug über der Wüste“, den Absturz und anschließenden Schlaf des Piloten, den im „verheißenden Traum“ der kleine Prinz anspricht, um ihm über seine Reisen zu verschiedenen Planeten zu erzählen. Die Tierfiguren sind dabei einige der Themen, bis im Epilog von der „schönsten und traurigsten Landschaft der Welt“, der Wüste nämlich, Abschied genommen wird.
Zu Wittrichs 30-minütigem Zyk­lus gibt es einen Link zu einem kostenlosen Download, den der Verlag als Texthäppchen der Bonner Pianistin Susanne Kessel anbietet. Diese hatte zusammen mit ihrer Klavierklasse 2018 die Uraufführung gestaltet und dazu rudimentäre erläuternde Inhaltsangaben formuliert.
Vergleicht man Wittrichs Der kleine Prinz mit der ebenfalls 21teiligen, 2001 ebenfalls bei Schott verlegten Vertonung Der glückliche Prinz (nach Oscar Wilde) des ebenso wie Wittrich 1959 geborenen Stefan Heucke, so überwiegen die Unterschiede: Heucke vertont den kompletten Märchentext, den er auch abdrucken lässt, mit leitmotivartigen Charakterisierungen der handelnden „Personen“ über die Stücke hinweg.
Peter Wittrich, bei Dieter Acker ausgebildet und seit 2004 Theorie-Professor an der Münchner Musikhochschule, zieht dagegen in seinen Stücken eher Nutzen aus der Verschiedenartigkeit der Situationen und setzt diese in sehr abwechslungsreiche, rhythmisch wie metrisch prägnant artikulierte Musiken um. Dabei hat lediglich der kleine Prinz einen gewissen C-Dur-Wiedererkennungseffekt mit „naiv“ wiederholten Melodietönen. Wenn es aber um den „Marsch des Eitlen“, um geheimnisvolle „Asteroiden“ oder „kamelberittene Mauretanier“ geht, so greift Wittrich zu starker Chromatisierung und auch dissonanten Wirkungen. Besonders überzeugend gelingt ihm der Dialog zwischen Prinz und tritonus-freudigem Fuchs, ein orientalisierender „Wüstensand-Blues“ in g-Moll oder auch der „Weichensteller mit vier Zügen“, eine köstliche Eisenbahn- und Signal-Parodie.
Ob im Unterricht oder im (Kinder-)Konzert: Wittrichs Werk stellt eine willkommene Bereicherung der Literatur dar.
Rainer Klaas