Kleeb, Jean

Beethoven goes Jazz

For Piano

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel 2019
erschienen in: üben & musizieren 4/2019 , Seite 59

Kompositionen und Arrangements zum Beethoven-Jahr 2020 wird es wohl einige geben. Es ist ja schon längere Zeit beliebt, aber durchaus nicht unproblematisch, bekannte Beethoven-Themen mit anderen Stilen zu vermischen. Solch ein Stilmix muss schon überzeugend gelingen, um tragfähig und eigenständig zu sein.
Mit Beethoven goes Jazz hat Bärenreiter den brasilianischen, in Marburg lebenden Komponisten, Arrangeur und Chorleiter Jean Kleeb mit solch einer Edition bedacht. Die sieben Stücke im mittleren Schwierigkeitsgrad beziehen sich alle auf Bekanntes des Jubilars und verarbeiten dies in verschiedener Art, aber auch in unterschiedlicher Qualität.
Bei Freude schöner Götter Funk wird die Melodie der Ode an die Freude in dreistimmigen Akkorden mit einem gleichbleibenden Ostinato kombiniert. Was rhythmisch reizvoll beginnt, entpuppt sich allerdings als harmonisch zu starr, weil der harmonische Richtungswille des Themas außer Acht gelassen wird.
Das stimmungsvolle Moonlight erinnert im Stil einer Jazzballade an den ersten Satz der Mondschein-Sonate. In der lyrischen Pastorale Impression versucht Kleeb eine Kombination zwischen Beethoven und Debussy, was aber nicht gelingt. Zum einen hat das Stück überhaupt nichts mit Jazz zu tun und zum anderen leidet es ebenfalls unter harmonischer Eintönigkeit.
Bei den vier Variationen in Varioption Sinfonia 7 kommen zwar Swingrhythmen und Bluenotes vor, aber ein wirkliches Jazz­gefühl stellt sich auch hier nicht ein. Das siebte Stück, die Waldstein Jazzsonate, versucht die Sonatenhauptsatzform mit Jazz­elementen zu koppeln. Das erste Thema enthält Fragmente aus dem Hauptthema der Waldstein-Sonate, das Seitenthema ist im Bossa Nova-Stil gehalten.
Das Jazzmenuetto ist eine Parodie auf das Menuett aus Opus 49. In dessen Mittelteil wie auch im ersten Stück, das sich mit dem Kopfthema der 5. Sinfonie auseinandersetzt, spielt die linke Hand vierstimmige Akkorde – ­eigentlich attraktiv klingende Mollseptakkorde –, allerdings in einer ungünstigen, zu tiefen Lage. In diesem mit ia pa pa pa betitelten Stück gibt es auch den Hinweis auf Improvisationsmöglichkeiten.
Bleibt die Frage, an wen sich diese Edition eigentlich richtet?
Für SchülerInnen der Mittelstufe wäre einiges problemlos spielbar, dafür fehlen aber zumeist Fingersätze und genauere Pedalangaben. Freunde von Beethovens Musik werden lieber zum Original greifen und JazzpianistInnen werden zu wenige jazztypische Harmonien und wirklich inspirierende Ideen finden.
Im Pressetext des Bärenreiter-Verlags heißt es: „Der musika­lische Tausendsassa Jean Kleeb verwendet in seiner kleinen Sammlung bekannte Beethoven-Themen, sie werden mit Jazzharmonik und gängigen Stilen und Rhythmen fusioniert, separiert, befreit, aufgewirbelt, gefiltert und neu zusammengesetzt.“ Bilden Sie sich Ihr eigenes Urteil, inwieweit dies gelungen ist.
Christoph J. Keller