Bossen, Anja

All inclusive

Kommentar

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 2/2016 , musikschule )) DIREKT, Seite 01

Der Hype um die Inklusion läuft nach wie vor auf Hochtouren. Im Herbst 2015 machten bereits fünfzig Prozent aller VdM-Musikschulen inklusive Unterrichts­angebote. Das ist beachtlich, wenn man bedenkt, dass die Potsdamer Erklärung („Musikschule im Wandel – Inklusion als Chance“) erst knapp anderthalb Jahre zuvor verabschiedet wurde. Die Frage ist allerdings, woher all die inklusionskompetenten Lehrkräfte so plötzlich kommen – dauert die berufsbegleitende Fortbildung, die der VdM an der Akademie Remscheid anbietet, doch immerhin zwei Jahre. Erstaunlich ist auch, dass offenbar sehr viele Musikschullehrkräfte finanziell in der Lage und bereit sind, über 2000 Euro in diese Fortbildung zu investieren. So viel etwa kosten nämlich alle fünf Module nebst Unterkunft und Verpflegung – noch ohne Fahrtkosten. Sollten tatsächlich die Musikschulleitungen diese Kosten massenhaft übernommen haben? Kaum vorstellbar angesichts deren finanzieller Lage.

Vielleicht aber haben die Lehrkräfte (vor allem, wenn sie Honorarkräfte sind, die ca. zwei Netto-Monatsgehälter für diese Fortbildung aufbringen müssten) an einer der Fortbildungen teilgenommen, die kostenfrei auf der Landesebene des VdM angeboten werden? In Brandenburg können Musikschullehrkräfte beispielsweise kostenlos eine Fortbildung im Rahmen des Projekts „Inklusive Musik – Instrumentalspiel für Menschen mit Behinderungen“ absolvieren. Abgesehen davon, dass Honorarkräfte die ca. sechzig Fortbildungsstunden in ihrer Freizeit absolvieren müssen statt in ihrer Arbeitszeit und an den betreffenden fünf Wochenenden keine Gelegenheit haben, ihr Einkommen anderweitig aufzubessern, müssen sie sich verpflichten, an dem Projekt, das denselben Namen wie die Fortbildung trägt, dann auch teilzunehmen. Das bedeutet, sowohl darin zu unterrichten als auch an den ein- bis zweimal jährlich stattfindenden Austauschtreffen teilzunehmen. Dass diese Zusatztermine vergütet werden, ist nicht anzunehmen.

Auch künftig muss wohl davon ausgegangen werden, dass die Fortbildungen nur dann kostenfrei sind, wenn sie mit Selbstverpflichtungen verbunden sind, und dass sie weiterhin Honorarkräften nicht als Arbeitszeit angerechnet werden. Die Berliner Musikschullehrkräfte haben offenbar bereits ihre Konsequenzen gezogen: Zur Fachtagung in der Berliner Landesmusikakademie im Juni 2015 erschienen von über 1500 gerade einmal 25. In manchen Bundesländern wird die musikpädagogische Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention dann wohl noch lange auf sich warten lassen.