Bossen, Anja

Tod durch unterlassene Hilfeleistung

Kommentar

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 1/2014 , musikschule )) DIREKT, Seite 01

Weder handlungsfähig noch -willig: So lautet auf den Punkt gebracht die Reaktion der Landes- und Bundespolitik auf die prekäre Situation, in der sich immer mehr Musikschullehrkräfte wiederfinden. Als bedauerliches Achselzucken und höchstens als ein „Wir würden ja gern mithelfen, etwas zu verändern, wenn die anderen mitmachen würden“ fallen die Reaktionen der Bildungs- und Kulturministerien aus, ­denen die desaströsen Ergebnisse der ver.di-Studie 2012 zur sozialen Situation von Musikschullehrkräften von der Fachgruppe Musik im Mai 2013 zugesandt worden waren. In den Antwortschreiben an die Fachgruppe betonen nahezu alle Adressaten, dass Musikschulen aus der Bildungslandschaft nicht wegzudenken, mithin „unverzichtbar“ seien. Aber welchen Stellenwert haben dann die Musikschullehrkräfte? Sind sie ebenfalls „unverzichtbar“?

Wie wertgeschätzt die Arbeit von Musikschullehrern von der Politik wirklich wird, offenbaren die Antworten und auch die Handlungen deutlich. Denn aus dem Polit-Sprech in Klartext übersetzt bedeuten die Reaktionen: Musikschulen zu haben, ist nett, aber eigentlich interessieren sie uns nicht so sehr wie andere Dinge, für die wir lieber Geld ausgeben oder ausgeben müssen, weil sie Pflichtaufgaben sind. Außerdem funktionieren die Musikschulen bestens und die Lehrkräfte leisten auch im Prekariat eine hervorragende Arbeit. Da das so ist, brauchen wir auch nichts zu ändern. Wir haben hier auch eine gute Lösung für die Ganztagsschulen gefunden, denn auch hier leisten die Musikschullehrer eine so gute und unverzichtbare Arbeit, dass sie aus diesem Bereich gar nicht mehr wegzudenken sind. Leider haben wir kein Geld für unverzichtbare Dinge wie Musikschulen. Sollte doch einmal von irgendwoher mehr Geld in die Kommunen kommen, können sie es nach eigenem Belieben in die Musikschulen investieren oder auch nicht. Außerdem ist unsere Behörde eigentlich gar nicht zuständig und wir verweisen weiter an andere Institutionen.

Die Antworten der Politik offenbaren ein tiefes Desinteresse an der angeblich so unverzichtbaren Institution Musikschule und einen massiven Unwillen, zu einer Prob­lemlösung beizutragen. Allerdings: Solange die Musikschulen auch mit prekär beschäftigten Lehrkräften zumindest nach außen hin bestens funktionieren, hat die Politik auch keinerlei Handlungsbedarf. Unsere politischen Entscheidungsträger sind jedenfalls wohl mit dem prekären Zustand des Berufsstandes „Musikschullehrer“ so einverstanden, dass mehr als die Hälfte es nicht einmal für nötig hielten, das Schreiben der Fachgruppe Musik zu beantworten.