Behschnitt, Rüdiger

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„Wagnerwahn“ – Richard Wagners ­Biografie im ­multimedialen Dreierpack

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 5/2013 , musikschule )) DIREKT, Seite 12

Wagner und Instrumentalunterricht? In der Regel wird man einem der wichtigsten deutschen Komponisten in der Musikschule kaum begegnen. Wer seinen SchülerInnen im Wagner-Jahr zumindest die ungemein spannende Biografie des sächsischen Tondichters nahebringen will, kann nun jenseits der meist nicht kindgerechten Wagner-Literatur auf einen crossmedialen Dreierpack – bestehend aus Film, Graphic Novel und App – zurückgreifen.
Pünktlich zu Wagners Geburtstag am 22. Mai wurde im TV der Film Wagnerwahn von Ralf Pleger zum ersten Mal gesendet. Mit Samuel Finzi als Richard und Pegah Ferydoni als Cosima ist der Film hochkarätig besetzt und vermittelt ein facettenreiches Bild von Richard Wagners Leben und dessen Beziehung zu Cosima. Wegen seiner komplexen Struktur, des Detailreichtums und der Fokussierung auf die Beziehung Richards und Cosimas wendet sich der anspruchsvolle und künstlerisch hochwertige Film jedoch eher an Wagner-Kenner und ist als erster Einstieg in Wagners Leben für Kinder und Jugendliche nur bedingt geeignet. Trotz der Montagetechnik mit Spielszenen, Interviews und dokumen­tarischen Passagen werden nur an sehr wenigen Stellen Animationen oder Comic-Zeichnungen aus Buch oder App verwendet. Der Film ist bei iTunes für 16,99 Euro zum Download erhältlich (oder kann für 4,99 Euro geliehen werden).
Ende Juli erschien im Knesebeck Verlag die Graphic Novel Wagner von Andreas Völlinger und Flavia Scuderi (48 Seiten, 19,95 Euro). In diesem Comic wird Wagners Leben aus der (fiktiven) Sicht Hans von Bülows wiedergegeben – ein guter Ein­fall, um einen Erzähler in die Geschichte einzubauen. Die Zeichnungen von Flavia Scuderi sind sehr detailreich und nähern sich durch Überblendungs- und Montagetechniken einem filmischen Denken an. Eine animierte, filmische Wiedergabe, wie sie schließlich in der App zu finden ist, ist hier bereits angelegt.
Für weniger Geld (5,49 Euro) ist die iPad-App Wagnerwahn die bessere Alternative. Hier kann man zwischen vier verschiedenen Modi zur Wiedergabe wählen. Der „Graphic Novel Modus“ bietet das Buch als E-Paper zum Blättern, zwei verschie­dene Animationsmodi (mit und ohne Erzählstimme bzw. Schauspielern) bereiten den Comic mit bewegten Standbildern filmisch auf. Zu allen Modi werden zusätz­liche interaktive Elemente – jedoch in recht bescheidenem Umfang – angeboten: Durch Drücken auf einen im Bild auftauchenden blauen Button erhält man Fotografien, faksimilierte Wiedergaben von alten Programmheften oder Rezensionen. Im Autoplay-Modus schließlich kann man sich den animierten Comic mit allen Zusatzfunktionen vorspielen lassen.
Leider bleibt dies die einzige Verbindung von Film und App. Noch bedauerlicher ist das Fehlen des Elements, das doch eigentlich im Mittelpunkt stehen sollte: der Musik! Zwar wird jeder Wieder­gabe-Modus von Wagner-Musik grundiert. Diese steht jedoch in keinem inhaltlichen Zusammenhang zum Erzählten, und schnell wird einem bewusst, dass es sich um die immer gleichen Musikfragmente in enervierender Endlosschleife handelt, sodass man bald von der Möglichkeit Gebrauch machen wird, im Menü die Musikwiedergabe zu de­aktivieren. Hier wurde eine große Chance vertan, die interaktiven Möglichkeiten einer App voll zu nutzen.
Immerhin: Bei den „Extras“ finden sich Ausschnitte aus den Film-Interviews und einige wenige historische Tonaufnahmen aus den Jahren 1907 bis 1939 in naturgemäß bescheidener Tonqualität. Auf einer Landkarte kann man die vielen Reisen und Lebensstationen Wagners nachvollziehen und erhält im Bereich „Dokumente“ kleine Einblicke in die Partituren und Schriften Wagners.
Das Crossmedia-Projekt Wagnerwahn mit Film, Buch und App gibt einen ersten Ausblick, was künftig im Verlagsbereich möglich sein könnte, schöpft die Möglichkeiten aber bei Weitem noch nicht aus. Dennoch: Dieses Dreigestirn bietet für Wagner-Fans und solche, die es werden wollen, zahlreiche Zugangsmöglichkeiten und Anreize, sich näher mit diesem faszinierenden Komponisten zu beschäftigen.