Gembris, Heiner / Jonas Menze / Andreas Heye (Hg.)

Jugend musiziert

Musikkulturelle Vielfalt im Diskurs

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Lit, Münster/Berlin 2019
erschienen in: üben & musizieren 3/2020 , Seite 58

Der Buchtitel spielt geschickt mit seiner Doppeldeutigkeit: Im Mittelpunkt steht einerseits der Wettbewerb „Jugend musiziert“, andererseits wird thematisiert, wie heute die Jugend musiziert. Der Haupttitel legt die Assozia­tion des Wettbewerbs nahe, der Untertitel zeigt den weiteren Horizont an, nämlich das Musizieren in der musikkulturellen Vielfalt, die unsere Gesellschaft kennzeichnet.
Dieser Band 12 der Schriften des Instituts für Begabungsforschung in der Musik (IBFM) entstand in der Folge der Fachtagung des Ins­tituts im Kontext des 54. Bundeswettbewerbs „Jugend musiziert“ (2017) in Paderborn. Dementsprechend stehen zunächst diejenigen Texte des Sammelbands im Mittelpunkt, die sich mit „Jugend musiziert“ befassen: vorweg eine Bestandsaufnahme des Wettbewerbs, dann einige Ergebnisse der Paderborner Studie zum Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ 2017.
Edgar Auer, der über Jahrzehnte wertvolle, gestaltende Arbeit für den Wettbewerb geleistet hat, fasst in seiner Bestandsaufnahme „Lass hören. 50 Jahre ,Jugend musiziert‘“ die Inhalte der Jubiläumsschrift des Deutschen Musikrats (2013) zusammen. Heiner Gembris und Claudia Bullerjahn referieren und diskutieren zwei Themenbereiche ihrer quantitativ-empirischen Studie zur Geschichte und Praxis von „Jugend musiziert“: „Die Teilnehmenden und ihr sozioökonomischer und familiärer Hintergrund“ und „Üben, Motivation und Lampenfieber“.
Wie eine Art Übergang zwischen dem nach wie vor durch klassische Musik geprägten Wettbewerb „Jugend musiziert“ und offeneren Themenbereichen der „musikkulturellen Vielfalt“, in denen Klassik eher nur eine Randerscheinung ist, wirkt der Artikel über „Klassik-Sozialisa­tion Jugendlicher im digitalen Zeitalter“. In den weiteren sechs Beiträgen werden beispielhaft verschiedene Bereiche beleuchtet, die das Musizieren der Jugendlichen heutzutage kennzeichnen: der durch Migration geprägte gesellschaftliche Kontext, die Möglichkeiten transkultureller Begegnungen (z. B. im HipHop), Fragen des – von der Welt der Klassik fundamental verschiedenen – Expertiseerwerbs in der populären Musik im Allgemeinen und bei Techno-DJs im Speziellen und schließlich die weitreichenden Veränderungen des Musizierens durch neue Technologien (Apps, iPads) als „Musizierpartner“.
Alle Artikel dieses Sammelbands regen zum Weiterdenken an, sie werfen Fragen über Fragen auf. Bereits die Idee und das Konzepts des Wettbewerbs – Wer „am besten“ spielt, wird belohnt! – erscheinen hier in besonderem Licht; denn sie stehen quer zu den spieltechnischen Idealen und ästhetischen Erfahrungen in den meisten Musizierpraxen. Eine allgemeine Erkenntnis aber können wir aus diesem Buch mitnehmen: Die persönliche Begeisterung von Bezugspersonen ist entscheidend auf dem Weg der Jugend­lichen zum Musizieren.
Franz Niermann