Ianni, David

Adieu für Klavier

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Universal Edition, Wien 2019
erschienen in: üben & musizieren 3/2020 , Seite 62

Der 1979 geborene, aus Luxemburg stammende Pianist David Ianni wandte sich vor etwa zwanzig Jahren vermehrt dem Komponieren zu. Seither hat er etwa hundert Werke verschiedener Gattungen geschaffen, darunter eine Kinderoper, das Oratorium Abrahams Kinder, dazu Kammermusik sowie zahlreiche Chor- und Klavierkompositionen, die im internationalen Musikleben Verbreitung fanden. In jüngerer Zeit wurde Ianni vor allem durch sein Projekt „My Urban Piano“ bekannt: Neun europäischen Städten von Athen bis Prag, von Berlin bis Reykjavik widmete er jeweils ein Klavierstück, das er an Ort und Stelle auf öffentlichen Plätzen an künstlerisch bemalten Klavieren aufführte. Gleichzeitig ließ Ianni Musikvideos von diesen Auftritten produzieren, die über das Internet zugänglich sind.
Nun liegt auch die erste gedruckte Klavierkomposition von David Ianni vor, sein 2019 entstandenes Adieu für Klavier solo. Iannis’ Abschiedsgruß gilt dem am 23. April vergangenen Jahres im Alter von 98 Jahren verstorbenen, bis 2000 regierenden Großherzog Jean von Luxemburg. Bewegt von der Todesnachricht schuf Ianni seinen 98 Takte umfassenden Nachruf auf „das beliebte Staatsoberhaupt meines Heimatlandes Luxemburg“.
Das Stück beginnt, um der Einfachheit halber der Beschreibung seines Urhebers zu folgen, „mit der Hymne der großherzoglichen Familie, dem sogenannten ‚Wilhelmus‘, zunächst einstimmig gespielt, dann im Kanon von der linken Hand wiederholt. Nach diesem Prolog erklingt das Hauptthema: eine weit gespannte Melodie, die Wertschätzung und Dankbarkeit für den Verstorbenen zum Ausdruck bringt. Nach der Wiederholung des Themas in einem feierlich Crescendo hören wir erneut den ‚Wilhelmus‘, bevor beide Melodien im Schlussteil zusammengeführt werden.“
Man muss diese Hintergründe nicht kennen, um an Iannis’ Adieu Gefallen zu finden. Das Stück mit der Tempovorschrift „Andante con moto“ macht dann den Eindruck einer auf Eingängigkeit zielenden, sanften, neoromantischen Klavierballade, die klar tonal gehalten und dynamisch überwiegend im Piano-Bereich angesiedelt ist, bevor sie „smorzando“ im Pianissimo verlöscht.
Die technischen Ansprüche an den Spieler bleiben bescheiden, es werden lediglich der linken Hand weit gespannte Bewegungen abverlangt. Der Klaviersatz ist im Kern dreischichtig: Das Fundament bilden meist Takt für Takt fortschreitende ganze Noten, deren Weiterklingen oft nur mittels Pedalisierung erreicht werden kann, den Mittelgrund sanft wogende Akkordbrechungen. Ein- oder zweistimmig geführt, doch auch einmal auf einem dynamischen Forte-Höhepunkt zu parallelen Oktaven verbreitert, verläuft die Melodiestimme in der rechten Hand.
Wer das Stück vom Blatt spielt, sollte harmonisch in entlegenen Quintenzirkel-Regionen sattelfest sein: denn David Ianni hat für sein Adieu die Grundtonart Fis-Dur gewählt.
Gerhard Dietel