Senker, Meike

Elementares Komponieren

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 4/2020 , Seite 10

Genie! Meisterwerk! Etwas nie Dagewesenes! Bis ins 20. Jahrhundert hinein galt Komponieren noch als gar nicht oder nur eingeschränkt lehrbar.1 Dass Elementares Komponieren mit Kindern, Jugendlichen und Laien, in Schulen, im Instrumentalunterricht oder in der Konzertvermittlung den Lernenden neue Erfahrungen ermöglichen und dazu auch noch Spaß machen kann, steht heutzutage außer Frage. Dem exklusiven Geniebegriff steht also eine Vorstellung von inklusiver Komposi­tionspraxis gegenüber, die den Stücken der Lernenden nicht den Status als „Komposi­tion“ aberkennt.2
Ein zentrales Ziel der hierbei Pate stehenden Kompositionspädagogik ist es, „die musikalische Wahrnehmung für elementare Gestaltungsprinzipien zu öffnen und im spielerischen Umgang mit dem jeweils verfügbaren Material die Bedeutung und Tragweite kompositorischer Entscheidung zu erfahren und zu erproben“.3 Elementar (lat. „elementa­rius“ = zu den Anfangsgründen gehörend) sind also lediglich die Gestaltungsmittel, mit denen ein Musikstück zusammengesetzt wird (lat.: „componere“ = zusammensetzen).
Weil Elementares Komponieren somit voraussetzungsoffen ist, findet sich der Begriff zunehmend in vielfältigen didaktischen Kontexten von Elementarer Musikpädagogik bis hin zum Instrumentalunterricht sowie der Zusammenarbeit von Musikstudierenden mit Laien.4 Schon 1991 beschreibt Anselm Ernst in Lehren und Lernen im Instrumentalunterricht Elementares Komponieren als wertvolles Mittel, um im Instrumentalunterricht in elementarer und ursprünglicher Weise musikalische Problemstellungen zu klären.5 Bereits in den 1970er und 1980er Jahren war Elementares Komponieren ein Studienfach, das an der Folkwang Hochschule bei Nicolaus A. Huber von Studierenden der Schulmusik belegt werden konnte, der Begriff muss also wesentlich ältere Wurzeln haben.6

1 s. auch Matthias Schlothfeldt: „Komposition als didaktisches Handlungsfeld“, in: Michael Dartsch/Jens Knigge/Anne Niessen/Friedrich Platz/Christine Stöger (Hg.): Handbuch Musikpädagogik. Grundlagen – Forschung – Diskurse, Münster 2018, S. 326 ff.
2 ebd., S. 329; siehe außerdem: Wolfgang Rüdiger: „Aus dem Leben gegriffen. Ansätze elementaren Komponierens mit Kindern und Jugendlichen im Instrumental- und Ensembleunterricht“, in: Martin Losert/Achim Bornhöft (Hg.): Anregen – Vertiefen – Ausbilden. Komponieren im didaktischen Kontext, Wien 2018, S. 156.
3 Wolfgang Lessing: „Kinderkomposition im Spannungsfeld von Prozess- und Produktorientierung“, in: Philipp Vandré/Benjamin Lang (Hg.): Komponieren mit Schülern. Konzepte – Förderung – Ausbildung, Regensburg 2011, S. 18.
4 s. z. B. Renate Dummert: „Elementares Komponieren mit Kindern“, in: Juliane Ribke/Michael Dartsch (Hg.): Gestaltungsprozesse erfahren – lehren – lernen. Texte und Materialien zur Elementaren Musikpädagogik, Mainz 2004, S. 74; Julia Galler: „Elementare Komposi­tion im Unterricht. Anregungen zum Einstieg ins Komponieren mit SchülerInnen“, in: üben & musizieren 2/2011, S. 32; Rainer Kotzian: Musik erfinden mit Kindern. Elementares Improvisieren, Arrangieren und Komponieren, Mainz 2015; Stefan Roszak: „Elementares Komponieren. Ein kompositionsdidaktisches Modell zum Erfinden experimenteller Musik“, in: Zeitschrift ästhetische Bildung, Leipzig 2014.
5 Anselm Ernst: Lehren und Lernen im Instrumental­unterricht. Ein pädagogisches Handbuch für die Praxis, Mainz, 1991, S. 52.
6 s. auch Rüdiger, S. 152.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 4/2020.