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Ardila-Mantilla, Natalia / Claudia Meyer

„Both Directions at Once“

Zur Neustrukturierung der künstlerisch-pädagogi­schen Studiengänge an der Hochschule für Musik und Tanz Köln

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 5/2020 , Seite 12

Die Weiterentwicklung von Studien­gängen gehört zum Alltagsgeschäft von Hochschullehrenden. Dabei lässt sich als gängige Praxis ein Top-down-Verfahren beobachten, in dem Studiengangs­leitungen in Absprache mit dem Fachkollegium im Rahmen hochschulübergreifender Vorgaben Veränderungen planen und für deren Umsetzung sorgen. Lehrbeauftragte, Studierende oder Verwaltungsmit­glieder werden allenfalls am Rande in den Prozess einbezogen. Den Gegen­part würde ein Bottom-up-Verfahren bilden, in dem der Prozess in der untersten Hierarchieebene beginnt und nach oben fortgesetzt wird.

Bei der Neustrukturierung der Studiengänge Instrumen­tal- und Gesangspädagogik (IGP) sowie Elementare Musikpädagogik (EMP) an der Hochschule für Musik und Tanz Köln war für uns die Frage leitend, wie ein „Both-Directions-at-Once“-Verfahren* aussehen könnte: ein Verfahren, das einen tiefgehenden, transformativen Austausch zwischen allen Beteiligten sowie statusverbindende, effektive Zusammenarbeit, die Reflexion gemeinsamer Fortschritte und eine offene und positive Haltung gegenüber Veränderung ermöglicht. Beginnend mit den ersten Überlegungen erhielten standortübergreifend betroffene Fachbereiche und Fachgruppen, Studierende, Lehrbeauftragte, Mitglieder der Verwaltung, der Prorektor für die Lehre, Alumni, Mentorinnen und Mentoren die Aufforderung, sich an der Studienrevision zu betei­ligen. Dabei wurden verschiedene Methoden und Settings wie schriftliche und mündliche Befragungen, Open Spaces, Informationsveranstaltungen, Einzel- und Fachgruppengespräche (auch mit Personen kooperierender Institutionen) sowie partizipative Kompaktphasen miteinander verbunden.
Wenn so viele Menschen über einen längeren Zeitraum an einem gemeinsamen Projekt arbeiten, können Missverständnisse und ein gewisses Chaos entstehen. Darum haben wir besonders darauf geachtet, Zwischen­ergebnisse immer wieder zu bündeln und transparent zu kommunizieren sowie Möglichkeitsräume der jeweiligen Phasen innerhalb einer langfristig angelegten Zeitleiste genau zu definieren.

„Die Gedanken sind frei“ – Gemeinsame und divergierende Anliegen wahrnehmen und artikulieren

Eine Studienrevision ist mit viel Arbeit und Zeitaufwand verbunden. Um die eigenen begrenzten Ressourcen bereitwillig in ein solches Unterfangen zu investieren, bedarf es entweder einer hochschulübergreifenden Reform (wie etwa der Bologna-Prozess) oder einer Unzufriedenheit mit der bestehenden Studienstruktur. Letztere war in unserem Fall der Antriebsmotor. Um von Anbeginn nicht nur unsere eigenen Sichtweisen einzubringen, sondern die kollektive Intelligenz zu nutzen, fanden unter dem Rahmenthema Studienrevision Open Spaces mit verschiedenen Statusgruppen statt, in denen Anliegen und Ideen artikuliert, gesammelt und strukturiert wurden. Um Studierenden die Gelegenheit zu geben, ihre Zukunftsvisionen in einem machtfreien Raum angstfrei äußern zu können, erfolgten die Treffen dieser Statusgruppe unter der Leitung von Studentinnen und Studenten. Die Vielfalt der Gruppen ergab eine Vielfalt von Pers­pektiven und Anliegen. Dennoch kristallisierten sich gruppenübergreifend folgende gemeinsame Haltungen und Anliegen heraus:
– Es bestand Konsens, die Studiengänge neu zu denken, da die bestehenden Studienpläne als zu unflexibel und zu starr ausgerichtet auf einzelne Berufsfelder wahrgenommen wurden.
– Die Entwicklung, Stärkung und Begleitung einer künstlerischen Persönlichkeit, die in verschiedenen pädagogischen Kontexten professionell agieren kann, wurde und wird als zentrales Ziel der künstlerisch-pädagogischen Studiengänge betrachtet.
– Es bestand der Wunsch nach neuen Profilierungsmöglichkeiten im Rahmen einer weit gefassten Berufsorientierung. Die Profile sollten die individuellen Ressourcen der Studierenden und die spezifischen Ressourcen des Hauses (z. B. der Standorte und Fachbereiche) nutzen und ebendiese nach außen sichtbar machen. Hierfür sollten gut strukturierte Angebote mit genug Raum für Innovation und nachhaltige Entwicklung geschaffen werden.
– Der bereits in den Studiengängen vorhandene Wechsel zwischen Praxiserfahrungen und musikpädagogischer Reflexion wurde hochgeschätzt, sollte aber auch inhaltlich erweitert und ausdifferenziert sowie systematischer in der Studienstruktur verankert werden.

* Mit der Reminiszenz an das wiederentdeckte Album Both Directions at Once von John Coltrane möchten wir neben den Inhalten auf den Prozess eingehen, der zur Neustrukturierung der künstlerisch-päda­gogischen ­Studiengänge geführt hat.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 5/2020.