Gershwin, George

Rhapsody in Blue

2 Pianos, 4 Hands, Two-Piano Score

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Hal Leonard, London 2020
erschienen in: üben & musizieren 5/2020 , Seite 62

Als 1924 beim Konzert „An Experiment in Modern Music“ George Gershwins Rhapsodie in Blue ihre Uraufführung erlebte, ahnte noch niemand, dass dieses Werk für Klavier und Orchester eines der beliebtesten im 20. Jahrhundert werden würde. Viele sahen und sehen bis heute darin eine der gelungensten musikalischen Verkörperung des amerikanischen Lebensstils, mit seinem selbstverständlichen Miteinander verschiedener Ethnien, hier ausgedrückt durch die kongeniale Verschmelzung des traditionellen Konzerttypus mit mannigfaltigen Elementen aus Musical und Jazz.
Das klassisch-romantische Orchester wird fusioniert mit Klängen einer Jazzband, der Solist ist Virtuose und imaginärer Improvisator in einem. Die Rhythmik ist beschwingt und bietet neben zumeist genau notierten Details auch einige interpretatorische Freiheiten. Gershwins Musik ist zudem gespickt mit eingängigen Melodien, welche harmonisch geschickt verwoben werden in eine mit Blue Notes gefärbte Harmonik.
Dem Solopart gibt der Komponist, der selbst ein ausgezeichneter Pianist war, genügend Gelegenheit zur virtuosen Klang­entfaltung. Hier kann sich sowohl ein klassisch ausgebildeter Pianist, welcher sich eher an die traditionelle Notation hält, als auch ein Jazzpianist, der manches vielleicht freier und in für den Jazz typischer Rhythmisierung und Phrasierung ausführen wird, jeweils zur Genüge interpretatorisch ausleben. Stilistisch treffend und mit dem entsprechenden Esprit ausgeführt kann das Werk an manchen Stellen wie eine gerade entstehende, geniale und mitreißende Improvisation klingen.
Dazu bildet die Neuausgabe des Hal Leonard Verlags ein ausgezeichnetes Studien- und Aufführungsmaterial. Insgesamt zehn verschiedene Quellen, darunter auch zwei Aufnahmen, sind in diese Edition eingeflossen. Dies drückt sich unter anderem in einem ausführlichen, zwölfseitigen Quellenkommentar aus. Im Orchesterpart, Piano II, sowie im Solopart, Piano I, gibt es keine Fingersätze. Der Notentext ist aber sehr gut lesbar und enthält im Solopart alle notwendigen Hinweise zur Aufteilung der Hände. Das ist extrem hilfreich, weil sowohl das Klangbild als auch die unmittelbare technische Umsetzung, wie sie der Komponist wünscht, dadurch deutlich erkennbar sind. Herausgeber Brendan Fox steuert ein instruktives Vorwort bei, wie alle anderen Texte allerdings nur in englischer Sprache.
Der Komponist dieser unsterblichen Musik ist auf der zweiten Seite der auch optisch ansprechend gestalteten Ausgabe mit einem repräsentativen Foto aus dem Jahr der Uraufführung zu sehen. Darauf ist auch, leicht verschwommen, das Deckblatt der Erstausgabe zu erkennen. Fortgeschrittenen SchülerInnen, angehenden PianistInnen und KonzertpianistInnen ist diese Studienausgabe, welcher zudem eine zweite Stimme beiliegt, absolut zu empfehlen.
Christoph J. Keller