Decker, Mirjam / Anja Günther / Barbara Metzger

Instrumentenwahl bewusst treffen

Impulse zur Gestaltung und Organisation des Instrumentenkarussells

Rubrik: Forschung
erschienen in: üben & musizieren 2/2021 , Seite 54

Mit Unterstützung des Deutschen Tonkünstlerverbands (DTKV) und des Verbands deutscher Musikschulen (VdM) führten die Autorinnen 2019 eine deutschlandweite Umfrage zur Situation des Instrumentenkarussells durch. Basierend auf den Ergebnissen wird im Folgenden erläutert, welche Ziele im Mittelpunkt des Instrumen­tenkarussells (INKA) stehen, welche Organi­sationsmodelle möglich sind, wer dort unterrichtet, welche Inhalte vermittelt werden und wie der Unterricht gestaltet werden kann. Die Größe der Stichprobe betrug N = 286. Das heißt 286 Teilnehmende haben die Umfrage mit allen Fragen beantwortet und beendet.

Cello, Klavier oder lieber in den Chor? Damit Kinder und Eltern diese Entscheidung fundiert treffen können, bieten zahlreiche Musikschulen und Musikinstitute für eine Gruppe von drei bis fünf Kindern im Alter von sechs bis acht Jahren einen Orientierungsunterricht an. (1) Im Instrumentenkarussell lernen sie im Zeitraum von in der Regel einem Schuljahr über mehrere Wochen je ein Inst­rument aktiv kennen. Gestaltet wird das Angebot entweder von instrumentenkundigen PädagogInnen der Elementaren Musikpraxis oder den jeweiligen Instrumentallehrkräften, das heißt die Kinder erleben dann pro Instrument wechselnde Fachlehrkräfte. Die Instrumentenvorstellung z. B. in Schulklassen entspricht nicht diesem Unterrichtsformat.
Im Instrumentenkarussell sammeln die Kinder erste Erfahrungen im Umgang mit unterschiedlichen Instrumenten und der Stimme, mit dem Üben sowie im Ensemblespiel. Sie entwickeln musikalische Grundfertigkeiten und erkennen eigene Vorlieben im Hinblick auf die spätere Instrumentenwahl. Das Angebot soll allen Kindern offenstehen, wobei musikbezogene Vorerfahrungen nicht nötig sind. Somit kann das Instrumentenkarussell den Anspruch eines inklusiven Unterrichts erfüllen. In der Umfrage wird bestätigt, dass das Instrumentenkarussell auch von Kindern aus bildungsfernen Kontexten besucht wird. Am Ende des Kurses sollten die Wünsche der Kinder, die Beobachtungen und Möglichkeiten der Eltern sowie die Erkenntnisse der Lehrkräfte in ein Beratungsgespräch über den weiteren musikalischen Werdegang des Kindes münden.

 

 

Wie kann das Angebot organisiert werden?

Der Unterricht findet in einer Gruppe von drei bis fünf Kindern im Alter von sechs bis acht Jahren statt, die sich einmal wöchentlich für 45 bis 60 Minuten zum Unterricht treffen. Das Instrumentenkarussell läuft in der Regel über ein Schuljahr, innerhalb dessen je drei bis sechs Wochen lang ein Instrument praktisch erprobt wird.

Das setzt voraus, dass in der Unterrichtsstunde für möglichst jedes Kind ein altersgerechtes Instrument zur Verfügung steht. Die im Instrumentenkarussell am häufigsten angebotenen Instrumente sind laut Umfrage Klavier, Geige, Gitarre, Blockflöte, Cello, Trompete, Querflöte, Drumset, Akkordeon und Klarinette (Reihenfolge entspricht der Häufigkeit der Nennungen).

Im Idealfall können die Kinder die Instrumente ausleihen, wodurch das Erlernen eines Inst­ruments im (Familien-)Alltag erlebbar wird. Folgende Leihinstrumente werden am häufigsten zur Verfügung gestellt: Geige, Gitarre, Blockflöte, Querflöte, Trompete, Cello, Klarinette, Akkordeon.

Die Organisation des Instrumentenkarussells verlangt eine hohe Flexibilität, da sie von den individuellen Gegebenheiten jedes Instituts abhängig ist. Zwei Organisationsmodelle sind am meisten verbreitet:

Modell 1
Kurs mit mehreren Instrumentallehrkräften – eher für große Musikschulen geeignet
Beispiel: Acht Lehrkräfte, die jeweils ein Inst­rument vertreten, stehen ein Jahr lang mit einer Unterrichtsstunde pro Woche für das Inst­rumentenkarussell zur Verfügung. Es müssen acht Räume zur gleichen Uhrzeit in möglichst einem Gebäude bereitgestellt werden. Fünf Kinder bilden jeweils eine Gruppe, die vier Wochen lang ein Instrument bei einer Lehrkraft kennenlernt und danach zur nächsten Lehrperson wechselt. Demnach nehmen acht mal fünf, also 40 Kinder gleichzeitig an diesem Kurs teil. Geht man von 38 Schul­wochen pro Jahr aus, so erhalten die Kinder 32 Unterrichtsstunden. Die restlichen sechs Stunden stehen für Elternberatung, gemeinsame Vorspiele und den Austausch der Lehrkräfte untereinander zur Verfügung.

Modell 2
Kurs mit Elementarlehrkraft und Gästen – eher für kleine Musikschulen geeignet
Beispiel: Eine Gruppe von fünf Kindern wird über ein Schuljahr von einer Fachkraft für Elementare Musikpädagogik betreut, die über vielfältige Grundkenntnisse der vorzustellenden Instrumente verfügt. Punktuell werden im Laufe des Jahres einzelne Instrumentallehrkräfte eingeladen, um ihr Instrument vorzustellen. Die Organisation und inhaltliche Konzeption liegt in der Hand der Elementar-Musikpädagogin.

Um am Ende des Kurses eine fundierte Beratung für Eltern und Kinder anbieten zu können, ist eine kriteriengeleitete Schülerbeobachtung sowie eine gezielte Befragung der Eltern Voraussetzung. (2) Empfehlenswert ist das kontinuierliche Führen von Beobachtungsbögen für jedes Kind. Diese werden bei Gruppenwechsel an die nächste Lehrkraft weitergereicht. Besonders die Anwendung von Organisationsmodell 1 verlangt von den Lehrkräften am Ende des Kurses die Bereitschaft und Zeit zum Informationsaustausch über die Schülerbeobachtung.
Dieses Vorgehen ist laut Umfrage aus zeitorganisatorischen Gründen oft schwer umsetzbar. Viele Lehrkräfte führen daher eine eher willkürliche Schülerbeobachtung durch. Selten findet der eigentlich notwendige Abgleich von Schülerbeobachtungen unter den beteiligten Lehrkräften statt.

Wer unterrichtet das Instrumentenkarussell?

Laut den Umfrageergebnissen verfügen die meisten Lehrenden des Instrumentenkarussells über einen Studienabschluss in Instrumental- und Vokalpädagogik und haben oft keine spezielle Ausbildung für den Gruppenunterricht. Ein Fünftel der Befragten hat ein Studium der Elementaren Musikpädagogik absolviert, das in der Regel ein Instrumental- oder Gesangsstudium mit einschließt. Somit wird das Instrumentenkarussell entweder von einer Instrumental-Fachkraft durchgeführt, die ausschließlich ihr Instrument über mehrere Stunden vorstellt und sich methodisch-didaktische Grundlagen des Gruppenunterrichts aneignen sollte, oder von einer EMP-Lehrkraft, die neben den Fertigkeiten auf dem eigenen Instrument auch Grundkenntnisse über alle vorzustellenden Instrumente erwerben sollte.

Im Hinblick auf die Lehrenden werden in der Umfrage vor allem zwei Herausforderungen genannt: Die Heterogenität der einzelnen Kindergruppen verlangt spezifisches methodisches Können. Besonders BerufsanfängerInnen mit wenig praktischer Erfahrung im Gruppenunterricht werden häufig ohne Anleitung durch die Musikschule mit diesem Unterrichtsangebot konfrontiert und fühlen sich damit überfordert. Daraus resultiert die Forderung, eine für das Instrumentenkarussell spezifische Didaktik unter Einbeziehung der EMP sowie der Didaktik des Gruppenunterrichts stärker in die musikpädagogischen Studiengänge zu integrieren. Zudem sollten bereits im Studium praktische Unterrichtserfahrungen gewonnen und reflektiert werden. Für bereits im Berufsleben stehende Lehrende sollten qualifizierte Fortbildungen zur Didaktik des Instrumentenkarussells angeboten werden. Neben den genannten Herausforderungen wird es als zusätzliche Belastung empfunden, dass oft kein Unterschied in der Vergütung von Orientierungsunterricht und Einzelunterricht vorgenommen wird.

Welche Inhalte werden vermittelt?

Das Instrumentenkarussell verlangt eine spezifische Auswahl von Inhalten, die nicht mit dem typischen Anfangsunterricht auf einem Instrument gleichzusetzen ist. Vielmehr steht das spontane, zunächst nicht-angeleitete Kennenlernen der Instrumente im Vordergrund, begleitet von musikbezogenen Grunderfahrungen.
Nach dem individuellen Ausprobieren der Ins­trumente können erste Erfahrungen mit der Spielweise gemacht werden. Sinnvoll ist es, bei Blasinstrumenten zunächst nur auf dem Kopfstück, bei Streichinstrumenten zunächst ohne Bogen zu spielen. Mit Hilfe von grafischer Notation werden Klangqualitäten, Rhythmen und Tonhöhen notiert und gespielt. Die Anwendung geschieht in sogenannten Klanggeschichten, indem ein Pfeil nach oben beispielsweise ein Glissando darstellt oder die Zeichen Punkt-Punkt-Strich für zwei kurze Töne und einen langen Ton stehen. Das Erfassen der traditionellen rhythmischen Notation wird mit Hilfe von Rhythmussprachen erleichtert. Das Fünf-Linien-System kann als Orientierung für helle und dunkle Töne dienen.
Das Erlernen der traditionellen Notenschrift ist nur in Ansätzen nötig. In der Umfrage wird die Bewegung als wesentlicher Inhalt der Unterrichtsgestaltung genannt, da sie die musikalischen Parameter direkt erlebbar macht sowie den altersspezifischen Lernbedürfnissen entspricht. Außerdem stehen Bodypercussion, das Singen und instrumentale Gestalten von Liedern, das Improvisieren, Reproduzieren und Komponieren sowie Musikspiele, der Einsatz von Materialien (Modell­instrumente, Puzzle) und Medien (Videos, Hörbeispiele) als weitere Inhalte im Zentrum der Unterrichtsgestaltung. Das Hören spielt dabei in Form des Zuhörens und des differenzierten Hörens musikalischer Parameter eine große Rolle.

Wie wird der Unterricht gestaltet?

In der Umfrage wird mehrfach bestätigt, dass das Instrumentenkarussell, wie jeder Gruppenunterricht, klare Rituale und Regeln benötigt, um den Kindern Sicherheit zu geben. Dazu gehören beispielsweise Begrüßungs- und Schlusslied, gleichbleibende Raumnutzung (Sitzkreis, Platz für Instrumente und Zubehör, Hörecke etc.), Einbeziehung der vorausgegangenen Hausaufgaben sowie das Einführen der neuen Hausaufgaben mit einem altersentsprechend gestalteten Arbeitsblatt. Während der Stunde werden vielfältige Anlässe zum gemeinsamen Musizieren geschaffen. Die Stunde ist abwechslungsreich und kurzphasig konzipiert und endet oft in einem spontanen Vorspiel für die Eltern, die die Kinder abholen.
Dies alles bedarf der spezifischen Vorbereitung jeder einzelnen Stunde sowie der umsichtigen Planung aller für ein Instrument vorgesehenen Stunden. Grundsätzlich können vorhandene Lehrwerke aus dem instrumentalen Anfängerunterricht sowie speziell für das Instrumentenkarussell konzipierte Publikationen (3) Verwendung finden. Der Umfrage ist jedoch zu entnehmen, dass vorwiegend eigene Materialien zusammengestellt werden. Damit verbunden wird der Wunsch nach einem neuen Lehrwerk geäußert, das vorwiegend digital zur Verfügung steht und dadurch eine individuelle und flexible Verwendung ermöglicht.

Für Kinder und Eltern kann das Instrumentenkarussell den Übergang zum Instrumentalunterricht durch folgende Aspekte erleichtern:
– generelles Interesse am Erlernen eines Inst­ruments gewinnen
– möglichst unterschiedliche Instrumente kennenlernen und ausprobieren
– bewusste und individuelle Entscheidung für ein Instrument treffen können
– Erfahrungen im gemeinsamen Musizieren sammeln.
Für Musikinstitute ist das Instrumentenkarussell eine Möglichkeit, InstrumentalschülerInnen zu gewinnen, die sich bewusst für ein bestimmtes Instrument entschieden haben und somit im besten Fall längerfristig der Musikschule erhalten bleiben.
Für eine erfolgreiche Umsetzung des Orientierungsangebots Instrumentenkarussell lassen sich zusammenfassend folgende Forderungen aus der Umfrage ableiten:
– didaktische Besonderheiten des Instrumentenkarussells in allen künstlerisch-pädagogischen Studiengängen thematisieren,
– qualifizierte Fort- und Weiterbildungen zum Orientierungsangebot konzipieren,
– angemessene Honorierung des Arbeitsaufwands für das Instrumentenkarussell gewährleisten,
– zeitgemäße Unterrichtsmaterialien für das Instrumentenkarussell entwickeln.

1 Lehrplanorientierte Darstellung und detaillierte Informationen zum Thema Orientierungsangebot siehe Verband deutscher Musikschulen (Hg.): Bildungsplan Musik für die Elementarstufe/Grundstufe, VdM Verlag, Bonn 2010.
2 Kopiervorlagen für das abgebildete „Formular zur ­kriteriengeleiteten Schülerbeobachtung“ sowie zum „Formular zur Elternbefragung“ stehen zum Download unter www.breitkopf.com/work/9383/grundwissen-
instrumentalpadagogik (Stand: 24.02.2021). Quellennachweis: Barbara Busch (Hg.): Grundwissen Instrumentalpädagogik. Ein Wegweiser für Studium und Beruf, Wiesbaden 2021 (2. überarb. Auflage), S. 318/319.
3 Elena Marx: Schnupperkurs – Konzept und Materialien für ein Instrumentenkarussell (Basispaket: Blockflöte, Geige, Gitarre, Klavier, dazu einzeln: Akkordeon, Klarinette/Saxofon, Querflöte, Schlagzeug, Trompete, Violoncello), Lehrerhandbuch und Arbeitsblätter, Wiesbaden 2005; Katharina Bacsalmasi u. a.: Inka – das Instrumentenkarussell (Saiten-, Holzblas-, Blechblas-, Schlag-, Tasteninstrumente), Lehrerband und Schülerheft, Regensburg 2007.

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