Sari, Koray Berat / Jörg Sommerfeld

Makam-Musik

Die Musikschule Monheim am Rhein stellt eine interkulturelle ­Notensammlung online

Rubrik: Bericht
erschienen in: üben & musizieren 3/2021 , Seite 42

Die Orte Monheim am Rhein in Nordrhein-Westfalen und Atasehir, ein Stadtteil von Istanbul, sind sehr unterschiedlich. Nicht nur, weil Atasehir mit 400000 Einwohnern fast zehn Mal so groß ist wie die Stadt im Rheinland mit ihren 42000 Einwohnern. Und doch verbindet die Bürgerinnen und Bürger beider Orte seit 2015 eine enge und gelebte Städtepartnerschaft.

Nach regelmäßigen Austauschen entstand im vergangenen Jahr die Idee, Arrangements für Schülerinnen und Schüler der Musikschulen in beiden Städten zu erstellen. Gefördert auch mit Mitteln der Stiftung der Sparda Bank West sollten traditionelle Lieder unterschiedlicher Stile der Regionen vom Balkan über Anatolien, Kaukasien bis nach Mesopotamien für gemeinsame Konzerte arrangiert werden. Die Monheimer Musikschule konnte dabei von ihrer langjährigen Erfahrung mit Ensemb­les für anatolische Folklore profitieren: Die Baglama beispielsweise gehört bereits seit den 90er Jahren zum Fächerkanon. In Atasehir war das Angebot hingegen eher klassisch ausgerichtet. Erst durch die Zusammenarbeit mit der Musikschule der Partnerstadt entstand auch hier ein Folkloreensemble. Dafür hatte man lange Erfahrung mit einem Schülersinfonieorchester – beste Voraussetzungen für echte Interkulturalität.
Stilistisch sind alle Arrangements dem Kulturraum der Makam-Musik zuzuordnen. In der orientalischen Musik steht Makam (türkisch) oder Maqam (arabisch) für eine (in der Regel) heptatonische Skala mit eventuellen Mik­rotonschritten, einer melodischen Dominante und variablem Leitton. In einigen Stilen, wie zum Beispiel der osmanischen Hofmusik, kommen ein bestimmter Melodieverlauf und Modulationsmöglichkeiten hinzu. Die genaue Beschreibung und Ausführung der mikrotonalen Intervalle ist in den verschiedenen Ländern unterschiedlich. In der Türkei teilt man einen Ganzton in neun sogenannte Komma-Schritte. Ein Halbtonschritt ist damit nicht darstellbar, stattdessen verwendet man mit dem 4/9-Ganzton ein kleineres Intervall. Musizieren türkische Makam-Musikerinnen und -Musiker zusammen mit westlichen InstrumentalistInnen, werden Mik­rointervalle auf Achteltöne gerundet, der Halbtonschritt und auch Vierteltöne sind damit verwendbar. In den arabischen Ländern und im Iran wird stattdessen die Mikrotona­lität direkt auf Vierteltöne gerundet. Notiert wird mit dem westlichen Notensystem, mit dem die siebentönigen Skalen gut dargestellt werden können. Für die Mikrotonschritte kommen verschiedene, nicht standardisierte Versetzungszeichen zum Einsatz (siehe Notenbeispiel).


Die Verwendung der Makams (deutsch) beziehungsweise makamlar (türkisch) verbindet einen gemeinsamen Kulturraum. Vom Balkan über die Türkei, den Nahen Osten und Nordafrika sind die Makams verbreitet. Auch im Gesang des südspanischen Flamencos hört man trotz der inzwischen verwendeten Gitarren – ursprünglich wurde auf der Oud begleitet – die Ornamente und Tonalität Mesopotamiens. Die jeweils eigenen Stile des Kaukasus und des Iran ähneln ebenfalls der Makam-Musik.
Während man in der osmanischen Hofmusik versuchte, Kompositionen nach genau festgelegten Melodieregeln zu schreiben (tonal stark von griechischer und arabischer Volksmusik und terminologisch indoiranisch geprägt), findet man in der Volksmusik Regionalstile mit Klage- und Liebesliedern, langsamen und schnellen Tänze mit unterschiedlichsten Rhythmen und Taktarten. Regional werden zum Beispiel Verzierungen unterschiedlich ausgeführt, aber in der musikalischen Substanz sind sich die verschiedenen Stile der Makam-Musik sehr ähnlich. Oft finden sich dieselben Stücke nur in verschiedenen Regional- und Sprachvarianten.
Bis auf wenige Ausnahmen ist die Makam-Musik vor allem mündlich überliefert. Es gibt nur wenige Notenarchive, die jedoch entweder ideologisch geprägt sind wie das TRT-Archiv der Türkei oder unsystematisch als Privatsammlung entstanden wie die Sammlung armenischer und kurdischer Musik von Komitas Vardapet. Diese Situation führte dazu, dass die Musik unterdrückter Minderheiten kaum dokumentiert ist.
Unsere Arrangements greifen auch die aktuelle Entwicklung der Musikszene rund um Anatolien auf, bei der die ursprünglich unbegleiteten Melodien harmonisiert werden. Die Mikrotonalität wurde in der Notensammlung darum auf Bagˇlama und Gesang beschränkt, wo sie am leichtesten umzusetzen sind. Die Töne können in vielen Fällen auch chromatisch ersetzt werden, was im Nahen Osten regelmäßig gemacht wird, um mit InstrumentalistInnen aus westlichen Ländern gemeinsam spielen zu können.
Die Bearbeitungen sollen die Musik möglichst vielen zugänglich machen. Der Schwierigkeitsgrad ist darauf abgestimmt, dass die Musik mit möglichst kurzer Probezeit einstudiert werden kann, um ein gemeinsames Kon­zerterlebnis zu ermöglichen – zum Beispiel bei einem Besuch in der Partnerstadt.

Notendownload unter
www.musikschule.monheim.de/makam

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