Rieding, Oskar

Concertino a-Moll op. 21 in ungarischer Weise

für Violine und Klavier

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Henle, München 2020
erschienen in: üben & musizieren 3/2021 , Seite 60

Wer bei YouTube „Rieding“ eingibt, findet zahlreiche Filme, in denen seine Violinkonzerte gespielt werden – vom siebenjäh­rigen „Wunderkind“ bis zum erwachsenen Dilettanten. Auf Platz 1 der Hit-Liste steht eindeutig das a-Moll-Konzert, das nun von Henle als Urtextausgabe herausgebracht wurde. Dass es so beliebt ist, liegt sicherlich an seiner eingängigen ungarischen Melodik und seinen Anklängen an den Csárdás. Nicht nur auf YouTube, sondern auch beim Vorspielabend der Musikschule oder mit dem Schulorchester kann dieses Konzert begeistern, da es sehr geigerisch klingt und doch von MusikschülerInnen technisch zu bewältigen ist.
Im Vorwort stellt Marus˘a Zupanc˘ic˘ den Komponisten und sein Werk vor. Oskar Rieding wurde 1846 in Pommern geboren, studierte in Leipzig, wurde danach Erster Geiger im Nationaltheater Budapest. Außerdem war er ein gefragte Geigenlehrer. Dabei erkannte er einen Mangel an wirkungsvollen und doch von SchülerInnen technisch zu meisternden Konzerten. Systematisch vorgehend schrieb er Konzerte für die 1. Lage, für die 1. bis 3. Lage, bis hin zur 7. Lage.
Das a-Moll-Konzert erfordert sicheres Lagespiel bis zur 3. Lage. Allerdings muss einige Male auch das hohe e”’ als Flageolett gegriffen werden. Innerhalb dieses Tonraums verlangt Rieding ein hohes Können: Läufe, chromatische Gänge, Arpeggi, Sprünge, manchmal sogar über alle vier Saiten, erfordern eine hohe Flexibilität der linken Hand und des Bogens. Da Rieding selbst ein versierter Geiger war, sind seine Bogeneinteilungen sehr aufschlussreich. Sie zeigen, wie man im 19. Jahrhundert Csárdás-Melodien auf der Violine artikulierte. Dabei ist die Folge von drei Halben, die jeweils mit Abstrich zu spielen sind, typisch. Die häufig verwendeten Akzentzeichen geben wertvolle Hinweise auf die Betonungen, deren Abstände sich in ungarischer Musik ändern.
Hier zeigt sich der große Vorteil einer Urtextausgabe: SchülerIn und Lehrkraft können darauf vertrauen, dass in den Noten das steht, was der Komponist beabsichtigt hat. Evelyne Grüb-Trauer schlägt sehr zurückhaltend in der Violinstimme Fingersätze und Bogenstriche aus heutiger Sicht vor. Die Klavierpartitur zeigt die authentischen Bezeichnungen.
Riedings Konzert besteht nur aus einem Satz, der allerdings wie in einer Tondichtung aus mehreren Abschnitten, analog zu einem dreisätzigen Konzert, zusammengesetzt ist: Nach der langsamen Einleitung folgt das Allegro moderato („1. Satz“), ein Andante sostenuto (der „langsame Satz“) und das abschließende Allegro moderato. Bei einem Vorspiel ist hier eine überzeugende Gestaltung gefordert, damit dieses einsätzige Werk eine für den Hörer interessante Kontur erhält. Die von Annette Oppermann betreute Ausgabe erfreut mit einem klaren, übersichtlichen und in der Größe genau richtigen Druckbild.
Franzpeter Messmer