Mandelartz, Monika

Greensleeves and ­Pudding Pies

Generalbass und historische Improvisation. 50 Stücke für 2 und mehr Spieler, Level 1/ Level 2

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Edition Walhall, Magdeburg 2020
erschienen in: üben & musizieren 4/2021 , Seite 60

Generalbass lernen einmal ganz anders: keine Regeln oder Zahlen, keine Trockenübungen oder strengen Anmerkungen. Stattdessen eine ansprechende Musik-Literatur sowie eine Gruppe von Mitmusizierenden, die man begleitet und die zum Improvisieren aufgefordert ist. Und wer dabei am Generalbassinstrument sitzt (Cembalo, Orgel oder auch Harfe), hat den simultanen Kern der mehrstimmigen Musik umzusetzen, nämlich die Akkordschicht. Damit ist das Arbeitsfeld definiert.
Monika Mandelartz setzt im ersten Band ihres Lehrwerks darauf, dass die Lernenden zunächst nur unbezifferte Werke vor sich haben. Die Basslinie sowie die Struktur der Oberstimmen sind dabei so beschaffen, dass aus ihrem Kontext die zu greifenden Akkorde schnell zu entnehmen sind. Hilfreich ist der steigende Schwierigkeitsgrad: Bordune, Orgelpunkte, Pendelbässe sowie Akkordverbindungen, die oft im Bereich der Hauptkadenz verbleiben.
Ohne zu zögern greift die Autorin übrigens bei ihren Erläuterungen zu den Termini der Funktionslehre. Wer das aus historischen Gründen rügen möchte, vergisst, dass alle Akkordbezeichnungssysteme nur ein Versuch sein können, im Nachhinein die Akkordlogik von Musik zu chiffrieren. Im zweiten Band treten Vorhalte und Akkordumkehrungen hinzu. Und man lernt Akkordmodelle wie Passamezzo antico oder Romanesca.
Mandelartz’ neues Lehrwerk bietet für Fans der nicht-sakralen englischen Musik des 16. und 17. Jahrhunderts eine Fundgrube der besonderen Art: Jagdlieder, Tänze, Märsche, Pastoralen und Lieder wechseln sich in bunter Reihenfolge ab. Nur gelegentlich wird dabei die Dreistimmigkeit überschritten.
Die Schwäche des Ansatzes beider Bücher liegt wohl auf dem schwierigen Feld der Stimmführungsregeln: Mal sind parallele Quinten oder Oktaven erlaubt, weil historisch vorgegeben; dann werden sie explizit verboten oder nicht empfohlen, tauchen aber in den unmittelbar folgenden Notenbeispielen auf. Für noch tastend Lernende ganz sicher ein methodisches Problem. Die Bände sind im praktischen DIN A4-Format gedruckt, frei gebliebene Notensysteme fordern zum Eintragen von fehlenden Stimmen auf. Und immer wieder finden sich inmitten der Musik Textblasen mit konkreten Hinweisen, Erinnerungen oder Hilfestellungen der Autorin.
Natürlich ist das Erlernen des Generalbassspiels bis hin zur Umsetzung komplizierter Bezifferungen etwa der Bach’schen „Kreuzige“-Chöre ein langer Prozess. Aber das will Mandelartz gar nicht leisten. Mit ihrem aus der Mitte der Werke kommenden Ansatz ist zunächst einmal ein Schlüssel zum Verständnis der historischen Dimension des Continuo-Spiels gegeben. Denn wer von Anfang an nach diesen Büchern lernt, weiß, wohin das Generalbassspiel gehört: in die Praxis der Musik.
Thomas Krämer