© Olaf Malzahn

Busch, Barbara / Marno Schulze

#darkroomconcerts

Soundwalk und Konzerte an geheimen Orten – Beispiel für ein besonderes Veranstaltungsformat

Rubrik: Praxis
erschienen in: üben & musizieren 1/2022 , Seite 30

Das Visuelle ausblenden, um sich ganz auf den Klang einlassen zu können! Von diesem Gedanken ausgehend fanden an besonderen Orten in der Lübecker und Mannheimer Innenstadt Konzerte im Dunkeln statt: Die KonzertbesucherInnen erreichen mit geschlossenen Augen die geheime, ihnen im Vorfeld nicht mitgeteilte Spielstätte; der Soundwalk startet an der Musikhochschule. Die #darkroomconcerts werden von ProfimusikerInnen gemeinsam mit Studierenden gestaltet: Freie Improvi­sation, Vocal Percussion und Klez­mer­musik werden mit klassischen Klängen verbunden…

Ein dunkler Raum, terra incognita, Stille, Ungewissheit. Fremde. Mitten in der Stadt. Ein Ton erfüllt die Dunkelheit. Aus Raum wird Klang-Raum – erfüllt mit improvisierter, jazziger, „klassischer“ und/oder zeitgenössischer Musik. Das Publikum ist schon versiert darin, sich nur mit den Ohren zu orientieren, denn: Alle HörerInnen wurden mit verdeckten Augen zu diesem geheimen Ort geführt. Die vor dem inneren Ohr entstehende Klanglandschaft ist Teil des Konzepts der #dark­roomconcerts.1
Was ist ein Konzert? MusikerInnen und Publikum verabreden sich an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit zu einem bestimmten Programm. Was ist ein #darkroomconcert? Nur ein Treffpunkt wird verabredet. Die MusikerInnen sind nicht an diesem Treffpunkt. Ihre Identität ist geheim. Der Spielort ist geheim. Das Programm ist geheim. Ist ein #darkroomconcert also ein Konzert? Ja, denn: MusikerInnen spielen ein bestimmtes Programm an einem bestimmten Ort für ein angemeldetes Publikum. Mit dem Unterschied, dass der Konzertraum zu Beginn absolut dunkel ist und seine Identität – genau wie die der MusikerInnen – erst nach und nach durch zunehmende Beleuchtung preisgegeben wird.
#darkroomconcerts eröffnen Musizierenden und Zuhörenden neue Spiel- und Wahrnehmungsmöglichkeiten. Faktoren wie Entfernung, Richtung und Raumklang gewinnen im Vergleich zu gewohnten Aufführungsformaten an Bedeutung und können so ganz bewusst in das künstlerische Konzept einbezogen werden. Die Dramaturgie eines solchen Abends leitet das Publikum von der Wahrnehmung einer begehbaren Klang-Landschaft (Soundscape) über eine musikalisch-architektonische Raumkomposition zum unverbindlichen Austausch über das Erlebte in der „After-Sound-Lounge“. Das Konzerterlebnis bleibt zwar zentral, wird jedoch von zwei weiteren Elementen gerahmt: Soundwalk – #darkroomconcert – After-Sound-Lounge.
Im Zusammenspiel mit der Ankündigung „#darkroomconcerts – geheime Konzerte an geheimen Orten“ erhält das eigentliche Konzert die Aura des Exklusiven und Außergewöhnlichen. Das Publikum setzt sich sogar einer gewissen Gefahr (mit bedeckten Augen zum Spielort zu gehen) aus, um das Konzert erleben zu können. Allerdings finden mehrere #darkroomconcerts simultan statt, sodass die Zuhörenden das meiste verpassen. Diese Art von Verknappung aber macht das „Klang-Produkt“ umso interessanter und regt zum gegenseitigen Austausch nach dem eigentlichen Akt an. Die After-Sound-Lounge ist also nicht nur angenehmes Beiwerk wie z. B. die Pause eines Konzerts. Sie ist unverzichtbarer Bestandteil des Gesamtkonzepts, welches durch unterschiedliche Settings den Aspekt der sozialen Interaktion stärker gewichtet.

1 Die Idee des #darkroomconcerts wurde in den vergangenen Jahren an der Lübecker Musikhochschule von Marno Schulze mit einer Gruppe von Studierenden unterschiedlicher Studiengänge entwickelt und in der Folge von Elias Betz und Barbara Busch an der Musikhochschule Mannheim erprobt und modifiziert. Bei Fragen und Ideen zum Konzept setzen Sie sich gern mit Marno Schulze (Marno.Schulze@mh-luebeck.de) in Verbindung.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 1/2022.