Goeritz, Stefan

Spielerisch und selbstbestimmt

Musikalische Spiele sind an der Städtischen Musikschule Waldkirch fest verankert

Rubrik: Musikschule
erschienen in: üben & musizieren 2/2022 , Seite 42

Selbstbestimmtes Lernen: Dies ist der pädagogische Anspruch der Städtischen Musikschule Waldkirch als Musizier­lernhaus. Mit Hilfe der „Musikalischen Spiele“ kann dies auch schon mit sehr jungen MusikerInnen ab fünf Jahren gelingen.

Nein, neu ist die Idee musikalischer Spiele sicher nicht und genauso sicher stammt sie nicht aus Waldkirch. Viele Lehrkräfte verwenden Spiele im Instrumental- und Gesangsunterricht; und auch in den allgemeinbildenden Schulen werden sie eingesetzt. Gerhard Wolters hat schon seit Langem seine „Musikalischen Spiele“ als DVD mit Begleitheft herausgegeben. Das Prinzip dabei ist, bekannte Gesellschaftsspiele musikalisch zu ergänzen oder umzudeuten.1 Das Besondere der „Musikalischen Spiele“ in Waldkirch ist, dass sie bei uns in der Schulordnung verankert sind. Und dass die Spielpartner der Kinder hauptsächlich Jugendliche sind, die bei uns im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung bei der Stadt Waldkirch jobben können. Grund­lage unserer Arbeit ist das Credo, dass lernen wichtiger ist als unterrichten. Und so sollen Spiele keine willkommene Abwechslung vom oder Ergänzung zum Unterricht sein, sondern die natürlichste Lernumgebung, die wir Kindern bieten können.
Wir alle können beobachten, welche komplexen Regelwerke selbst von kleinen Kindern erfunden, verstanden und angewendet werden, die sich ins Spielen vertiefen. Diese kognitive und kreative Ressource ist unerschöpflich, solange keine Störsignale dazwischengeschaltet werden, die auf fragwürdigen Annahmen wie diesen beruhen:
– Zum Spielen muss man Dinge kaufen, immer wieder und immer mehr, bis das Sammeln über dem Spielen steht und der Spielraum zugestellt ist.
– Zum Lernen geht man am besten in die Schule.
– Bei der Langeweile handelt es sich um eine zu kurierende Kinderkrankheit.
– Lärm ist der Indikator einer glücklichen Kindheit.

Spielidee im Zentrum

Die wesentlichen Fragen, die wir an Musizierlernorten beantworten müssen, sind: Wie können wir Kinder als Spielende ansprechen? Wie können wir die Spielidee im Zentrum behalten? Wie vermeiden wir eine Verschulung des musikalischen Spiels?
Unsere musikalischen Spiele sind nur ein sehr kleiner Baustein. Es geht hier weniger darum, in lustigen Spielen Musiktheorie zu unterrichten. Das geschieht quasi von alleine und dort wirken die Spiele auch im traditionellen Sinne ziemlich erfolgreich. Unser Anspruch muss vielmehr sein, Kinder und Jugendliche für die Tatsache zu begeistern, dass Musik ein Spiel voller überlieferter wie frei erfindbarer Spielregeln ist. Dass die Kenntnis dieser Regeln unendlich viele Spielmöglichkeiten eröffnet. Dass die Erfolgsmessung des Spiels durch unsere ästhetische Wahrnehmung geschieht. Dass diese Wahrnehmung (hauptsächlich) durch unser Gehör gespeist wird.
Wichtig ist, dass das gesamte Kollegium die Spiele kennt und auf den Instrumenten weiterspielt. Wir wollen unbedingt eine Zweiteilung in Spiele und Unterricht vermeiden. Das betrifft die Verwendung der Rhythmussprache ebenso wie die Vermittlung von Spieltechnik. Improvisations- und Kompositionsspiele führen in ein zunehmend fortgeschrittenes Musizieren hinein. Dabei messe ich unseren Kompositionsstunden und der „Komponistinnensprechstunde“ große Bedeutung bei: Es ist ein Ziel unseres Hauses, dass künftig bei Veranstaltungen mindestens ein Viertel, besser noch die Hälfte der dort gespielten Musik bei uns komponiert bzw. produziert wurde.

1 www.mdu.ch/files/musikalischespieleinfo.pdf (Stand: 3.3.2022).

Lesen Sie weiter in Ausgabe 2/2022.