© Theresa Merk

Kraus, Christian

An das Drumset, fertig, los!

Unterrichtsbausteine einer ersten Schlagzeugstunde

Rubrik: Praxis
erschienen in: üben & musizieren 3/2022 , Seite 26

Musizierpädagogische Unterrichts­praktiken und die damit verbundenen Materialien entwickeln sich bei den Instrumenten der Popularmusik ständig weiter. Stilistische Strömun­gen, die Ausbildung der Lehrpersonen und die nicht mehr wegzudenkende Digitalisierung des Unterrichts spielen dabei eine große Rolle. So hat sich auch die zur Entscheidungsfindung der Kinder so wichtige erste Probe- und Unterrichtsstunde am Instru­ment über die Jahre verändert.Musizierpädagogische Unterrichts­praktiken und die damit verbundenen Materialien entwickeln sich bei den Instrumenten der Popularmusik ständig weiter. Stilistische Strömun­gen, die Ausbildung der Lehrpersonen und die nicht mehr wegzudenkende Digitalisierung des Unterrichts spielen dabei eine große Rolle. So hat sich auch die zur Entscheidungsfindung der Kinder so wichtige erste Probe- und Unterrichtsstunde am Instru­ment über die Jahre verändert.

Blättert man durch Lehrwerke für Schlagzeug aus früheren Jahrzehnten, so dauert es oft mehrere Dutzend Seiten, bis aus den Übungen für kleine Trommel allmählich die ersten Grooves und Fills für das „kombinierte Schlagzeug“ werden.1 Aus Sicht der Lehrperson ergibt das zweifellos Sinn, dieser Aufbau bringt dem Schüler oder der Schülerin sukzessiv vom Grundschlag über komplexere Rhythmen und deren Handsatz auch fortgeschrittene Techniken wie Vorschläge, Akzentuierungen und den offenen und geschlossenen Wirbel oder ungerade Taktarten bei. Mit dieser Methode erwerben die Lernenden ­umfassendes theoretisches und praktisches Wissen an der kleinen Trommel, das dann im Anschluss separat auf das gesamte Drumset und anderes Schlagwerk übertragen wird.
Doch inzwischen haben sich die Rahmen­bedingungen des Schlagzeugunterrichts in puncto Einstiegsalter, Lernvoraussetzungen oder Hörgewohnheiten stark verändert: Ein breiteres Publikum von immer jüngeren Kindern bis ins Vorschulalter wird durch gegenwärtige Strömungen der Popmusik insbesondere auf das Drumset aufmerksam. Das für diese Ziel- und Altersgruppe charakteris­­tische spielorientierte Lernverhalten2 rückt nun in besonderer Weise in den Mittelpunkt der didaktisch-methodischen Überlegungen. So gibt es mittlerweile eine Fülle an kindgerecht aufbereitetem Lehrmaterial, häufig mit Playalongs oder Apps, die auf Kinder ab einem Alter von ca. sechs Jahren und deren Fähigkeiten hinsichtlich der Lesekompetenz, Motorik und Konzentrationsfähigkeit abzielen. In diesen Lehrwerken für den instrumentalen Anfangsunterricht wird von vornherein das ganze Drumset einbezogen, da es von Beginn an als ein Instrument verstanden wird und die Frage: „Spielen wir auf allen Trommeln und Becken?“ erfahrungsgemäß nicht lange auf sich warten lässt.
Auch die Schlagzeughersteller reagieren auf diesen Wandel: Gab es lange Zeit für Schlagzeugeinsteiger nur Sets bestehend aus kleiner Trommel, Stativ und Stöcken, sind seit nunmehr über zwei Jahrzehnten komplette Drumsets in kindgerechten Größen und vernünftiger Qualität zu erschwinglichen Preisen zu haben.

Vor dem Auftakt

Bei der Kontaktaufnahme vor der Probestunde empfiehlt es sich, folgende Aspekte, die den Aufbau und Verlauf der Unterrichtsstunde beeinflussen, abzuklären: Alter, musikalische Vorerfahrungen und Interessen, Händigkeit und besonders bei Vorschulkindern die Lesekompetenz des Kindes. Darüber hinaus sollte ein passender Gehörschutz mitgebracht werden, da insbesondere Kinder­ohren lärmempfindlich sind und sich die Konzentrationsfähigkeit ohne Schutz merklich verkürzt.
In den meisten Unterrichtsräumen und dementsprechend auch zuhause befinden sich Drumsets, da diese häufig der initiale Motivationsgrund für den Schlagzeugunterricht sind und in der Anschaffung im Vergleich zu anderen Einsteigerinstrumenten preiswert zu beschaffen sind. Dabei ist zu beachten, dass die Größen der Trommeln einen kindgerechten Aufbau, sprich nicht zu hohe Toms und Becken und gute Erreichbarkeit der Pedale, zulassen. Ein Set mit 20″-Bassdrum, 14″-Snaredrum und Toms in 10″, 12″ und 14″ kann bei entsprechender Einstellung schon von Grundschulkindern gespielt werden und bis ins Erwachsenenalter mitwachsen. Bei den Stöcken hat sich für Kinder eine Größenordnung von 7A oder Ähnlichem bewährt. Der Unterrichtsraum sollte mit zwei Drumsets, einem Notenständer und einer ausreichend verstärkten Medienabspielmöglichkeit ausgestattet sein.
Da die meisten InstrumentalanfängerInnen im Grundschulalter sein dürften, konzentrieren sich der im Folgende skizzierte Aufbau der Modell-Probestunde und die dafür verwendeten Materialien auf diese Zielgruppe. Ob bei dieser ersten Einheit auch eine Bezugsperson, ein Eltern- oder Großelternteil dabei ist, sei freigestellt. Deren Anwesenheit kann zusätzlich Sicherheit und Vertrauen schaffen, aber auch bei entsprechend aktivem Eingreifen ablenkend wirken. Diesbezüglich ist eine gute Absprache im Vorfeld notwendig, um im Stundenverlauf adäquat reagieren zu können.
Als Lehr- und Lernziele einer solchen ersten Instrumentalstunde stehen entsprechend der individuellen Lernvoraussetzung vor allem vielfältige Musizieranlässe mit improvisatorischen und kompositorischen Elementen und ein musikalisch motivierendes Ergebnis im Zentrum. Darüber hinaus liegt aus Sicht des Lehrenden der Fokus auf der Einschätzung der Aufmerksamkeit und Synchronisationsfähigkeit des Kindes, sowohl im gemeinsamen freien ametrischen als auch im metrisch gebundenen Musizieren. Des Weiteren ergibt sich ein anfängliches Bild der Koordination von Sprache und Motorik sowie der Aufnahme- und Wiedergabefähigkeit von rhythmischen Elementen und musikalischen Parametern.

Aller Anfang ist interessant

In der ersten Phase des Kennenlernens am Instrument steht das Entdeckenlassen der einzelnen Teile des Drumsets im Vordergrund. Jede der Trommeln und jedes Becken kann einzeln oder auch in Kombinationen angespielt werden. Somit wird ein erster Eindruck von der Reaktion des Drumsets auf verschiedene Anschlagstärken und -arten in Klang und Lautstärke gewonnen. In diesem Zug ist ein kleiner Ausflug in die Instrumentenkunde denkbar, da die Mechanik des Bassdrum-Pedals, Hi-Hat-Pedals oder der Snare-Abhebung gerade Kinder im Grundschulalter faszinieren.
In dieser explorativen Phase erhält die Lehrperson bereits Anhaltspunkte zur Motorik, zum Grundschlag- und Phrasenempfinden, woran im nun folgenden Zusammenspiel angeknüpft wird. Um diesem ersten „Jam“ eine Form zu geben, erfinde ich gerne vorab gemeinsam mit den Kindern einen Titel für die Komposition, der die Musizierparameter durch Assoziationen in gewisse Richtungen lenkt. So entstanden z. B. Titel wie „Der Tanz der wilden Motorräder“ oder „Der Discofrosch im Affenwald“. Im Spiel selbst zeigen sich dann schnell die individuellen Fähigkeiten zur Synchronisation, Interaktion, Kreativität. Auch Phrasenempfinden und dynamische Bandbreite lassen sich schon durch entsprechende Anregungen der Lehrperson ausloten.3

1 vgl. z. B. Hudec, Peter: Schlagzeug für alle. Spieltechnik – Spielpraxis, Band 1, Rot an der Rot 1980.
2 z. B. Selbstverständnis im Spiel zu lernen, fantasie­betontes Denken, Lust am Entdecken, Erforschen und Erfinden.
3 Je nach Altersgruppe lassen sich die Prinzipien des Entdeckens, Hörens, Lesens und Synchronisierens verschieden aufbereitet übertragen. Dabei verkürzen sich mit zunehmendem Alter die Explorationsphasen des Entdeckens und Hörens, das Lesen und Synchronisieren nimmt mehr Raum ein.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 3/2022.