Herbst, Sebastian

Es ist höchste Zeit!

Der Kommentar

Rubrik: Kommentar
erschienen in: üben & musizieren 5/2022 , Seite 43

Die Klage über Fachkräftemangel sowie die Forderung eines attraktiven Beschäf­tigungsverhältnisses und die angemessene Bezahlung von Musikschullehrenden vor dem Hintergrund der steigenden Komplexität beruflicher Anforderungen sind nicht neu. Zur Sicherung der Qualität von Musikschulen fordert der Verband deutscher Musikschulen auch in diesem Jahr mit der Regensburger Erklärung, dass der Stellenwert der beruflichen Anforderungen anerkannt wird und sich in den „Anstellungsverhältnissen des Lehrpersonals“, „durch angemessene Stellenbewertung, Eingruppierung und Vergütung sowie durch geeignete Rahmenbedingungen“ zeigt. Der Verband prangert an, dass es seit Beginn des Zusammenschlusses der Musikschulen im VdM vor 70 Jahren nur eine deutliche Änderung in Bezug auf die Anerkennung des Berufsbildes gegeben habe, und zwar das BAT-Urteil zur Gleichbehandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten von 1987: „Seitdem sind die Merkmale der Tätigkeit von Lehrkräften an Musikschulen in den Tarifverträgen unverändert geblieben“ – und das ist hinsichtlich neuer Anforderungen weder zeitgemäß noch akzeptabel.
Die Regensburger Erklärung trägt daher den Titel „Es ist an der Zeit!“ Es ist an der Zeit, im Sinne der Nachwuchsgewinnung für angemessene berufliche Zukunftsperspektiven von Studierenden zu sorgen, indem die Arbeitsbedingungen den Qualifikationen entsprechen. Ebenso ist der Abwanderung von Musikschullehrenden in andere Berufsfelder entgegenzuwirken. „Deshalb bittet der VdM die Kommunalen Spitzenverbände und die Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände eindringlich, in gemeinsame Gespräche einzutreten: über faire Beschäftigungsverhältnisse mit zeitgemäßer und konkurrenzfähiger Vergütung zur Struktursicherung von Musikschulen durch die Schaffung geeigneter Voraussetzungen für zukünftige Personalgewinnung!“ Auch wenn die Bitte, in gemeinsame Gespräche einzutreten, nach dem Beginn eines neuen Arbeitsprozesses klingt: Ein Blick auf die Positionspapiere, Erklärungen und Appelle des VdM der vergangenen zwanzig Jahre zeigt schnell, dass das Anliegen nicht neu ist, sondern im Laufe der Jahre stets noch an Relevanz und Dringlichkeit gewinnt.
Bereits 2001 werden in der gemeinsamen Erklärung von VdM und dem Verband Deutscher Schulmusiker ein Fachlehrermangel sowie die „vielerorts schwindenden Finanzmittel der öffentlichen Hand“ erwähnt. Darüber hinaus wird im Fragenkatalog zur Expertenanhörung der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ von 2004 für die Angebote öffentlicher Musikschulen eine Festanstellung von qualifizierten Musikschullehrkräften mit einem abgeschlossenen musikpädagogischen Stu­dium benannt. In der Limburger Erklärung von 2008 wird dann gefordert, dass die Infrastruktur der öffentlichen Musikschulen zu sichern sei, wozu „der Erhalt und der Ausbau von qualifizierten Arbeitsverhältnissen für Musikschullehrkräfte“ gehöre. Und so wird auch noch im Stuttgarter Appell von 2017 darauf hingewiesen, dass eine öffentliche Musikschule ihren Aufgaben „nur mit angestellten, weisungsgebundenen und angemessen vergüteten Lehrkräften“ gerecht werden kann.
Ab 2020 wird die Sprache deutlich schärfer und so heißt es in der Koblenzer Erklärung: „Der perspektivische Mangel an Lehrkräften offenbart […] deutlich, dass man von einer angemessenen Vergütung, wie sie der Qualifikation der Lehrkräfte und der immer komplexeren Aufgabenstellung ihres Berufsbildes entsprechen würde, noch deutlich entfernt ist.“ Das Positionspapier des VdM aus dem gleichen Jahr trägt daher den Titel „Personalentwicklung und Nachwuchsgewinnung – Fachkräftemangel entgegentreten!“ Erneut wird darauf hingewiesen, dass Musikschulen „nur dann ihrem Auftrag als musikalische Bildungsinstitution und Netzwerke in der kommunalen Bildungslandschaft gerecht werden [können], wenn die wichtigste Ressource der musikalischen Bildungsarbeit, das musikpädagogische Personal, mit höchster Qualität, in ausreichender Quantität und hohem Motivationsgrad ein zeitgemäßes Musikschulangebot sichert und weiterentwickelt.“
Um den Beruf attraktiv zu halten, wird neben anderen Aspekten vorgeschlagen: „eine angemessene Vergütung […], die der Qualifikation der Lehrkräfte und der komplexen Aufgabenstellung ihres Berufsfeldes entspricht“ sowie die „Erhöhung der Zahl von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen“. Und 2021 werden dann im Positionspapier zur musikalischen Bildung in Deutschland der Föderation musikpädagogischer Verbände Deutschlands ebenfalls „Maßnahmen für tarifgemäße Arbeitsverhältnisse sowie leistungs- und ausbildungsgerechte Vergütung des musikpädagogischen Personals“ gefordert.
Mit Blick auf die mit den Jahren immer deutlicher formulierten Forderungen ist es jetzt also wirklich höchste Zeit. Junge Erwachsene, die sich für das Musizierenlehren begeistern, ein entsprechend intensives Studium beginnen oder bereits abschließen, brauchen auch aus ökonomischer Sicht eine attraktive, weil angemessene berufliche Zukunftsperspektive. Eine Entscheidung gegen den Einstieg in den Beruf und eine Abwanderung von qualifizierten und mo­tivierten Musikschullehrenden in angrenzende Berufsfelder aus rein ökonomischen Gründen muss verhindert und als Verlust sowie Gefahr für die Qualität von musizierpädagogischer Arbeit in Musikschulen bewertet werden.

Lesen Sie weitere Beiträge in Ausgabe 5/2022.