© Jens Kaufmann

Hesse, Thorsten

Handiclapped – Kultur Barrierefrei

Inklusion rockt auf, hinter und vor der Bühne

Rubrik: Inklusion
erschienen in: üben & musizieren 5/2022 , Seite 44

Der Verein „Handiclapped – Kultur Barrierefrei e. V.“ aus Berlin setzt sich seit 2008 für barrierefreien Zugang zu und Inklusion durch Live-Musik ein. Durch vielfältige Initiativen wie inklusive Konzerte, Förderungen von Bands und MusikerInnen, Radiosendungen und Fachkongresse hat der Verein zum Ziel, die universale Sprache der Musik für alle erlebbar zu machen, Menschen zusammenzuführen und dadurch die gesamte Gesellschaft zu bereichern.

Knapp jeder zehnte Mensch in Deutschland hat eine formal anerkannte Behinderung. Die Teilhabe an Kultur ist ein verbrieftes Recht auch explizit für diese Menschen. Leider gibt es auf diesem Gebiet viel Nachholbedarf. Der Verein Handiclapped – Kultur Barrierefrei e. V. widmet sich diesem Anliegen seit 2008. Am Anfang stand die Frage: Warum sind so wenig Menschen mit Behinderung auf Live-Konzerten anzutreffen? Musikfans mit Beeinträchtigung nannten unter anderem räumliche Barrieren als Grund. Peter Mandel, Mitinitiator von Handiclapped, bekam aber auch oft zu hören, dass ein Konzertbesuch „zu teuer“ sei und die Konzerte „zu späte Anfangszeiten“ hätten. Es ist also erforderlich, dass Konzertveranstalter diese Bedürfnisse wahrnehmen und Menschen mit Beeinträchtigung entgegenkommen.
Hier setzt Handiclapped an: Unter dem Motto „Inklusion rockt! Musik für Alle“ veranstaltet der Verein seit 2008 Konzerte in Berlin und Brandenburg. Bislang hat der Verein schon über 300 Konzerte an barrierefreien Orten organisiert. Die Konzerte finden früh am Abend statt, damit Musikfans leichter eine eventuell notwendige Begleitung organisieren können. Das ist entscheidend, möchte man mit dem Pflegedienst nicht Nachteinsätze aushandeln. Und durch Eintrittspreise von fünf Euro sowie kostenlosem Eintritt für Betreuerinnen und Betreuer werden auch die finanziellen Barrieren für die Teilhabe niedrig gehalten. Darüber hinaus wird ein Kontingent an Freitickets für jedes Konzert an Menschen vergeben, die sich auch den niedrigen Eintritt nicht leisten können. Selbstverständlich ist auch die barrierefreie Ankündigung der Konzerte, beispielsweise durch Ankündigungstexte in Leichter Sprache, um möglichst vielen Menschen die Teilhabe zu ermöglichen.

Inklusive Konzerte als Begegnungsorte

Bei jedem Konzert treten mindestens zwei Bands auf, davon eine Band mit MusikerInnen ohne Beeinträchtigung und eine Band mit MusikerInnen mit Beeinträchtigung. Auch bei der Moderation sowie am Einlass, beim Catering und bei sonstigen Tätigkeiten rund um das Konzert arbeiten Menschen mit und ohne Beeinträchtigung zusammen. Darüber hinaus bringen beide Bands auch ihre Fans mit, sodass nicht nur MusikerInnen mit und ohne Beeinträchtigung gemeinsam Musik machen, sondern auch ein inklusives Publikum zu verzeichnen ist. Das schafft kulturelle Begegnungen auf Ohr- und Augenhöhe. Musik wird als gemeinsame Sprache erfahrbar – auf, hinter und vor der Bühne. Das gemeinsame Erleben von Musik hilft, Berührungsängste sowie Vorurteile abzubauen, und inspiriert zu neuen künstlerischen Ausdrucksformen. Es zeigt sich: Gemeinsame Auftritte von MusikerInnen mit und ohne Behinderung werten jede Veranstaltung auf.

Pinc Music – Plattform für inklusive Musik-Projekte

In Deutschland gibt es aktuell schätzungsweise über 300 inklusive Acts (inklusive Bands und Solo-MusikerInnen mit formal anerkannter Behinderung). Um deren Sichtbarkeit zu erhöhen und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich einem breiteren Publikum vorstellen zu können, wurde mit „Pinc Music – Plattform für inklusive Musikprojekte“ (https://pincmusic.net) ein entsprechender Webauftritt geschaffen. Über ein barrierefreies Formular können sich die MusikerInnen und Bands selbst eintragen. Bereits 50 Acts aus 15 Bundesländern sind dabei. Sie bieten eine bunte Vielfalt von Punk bis Klassik, von Greifswald bis Stuttgart und vom Spaß am Trommeln bis zum Musizieren als Vollprofis. Interessierte können Bands nach Region, Genre und anderen Kriterien filtern und auf diese Weise für jede Veranstaltung einen passenden Act finden. Das nächste Ziel ist es, die Plattform bei VeranstalterInnen von Konzerten und Festivals zu bewerben.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 5/2022.