Spiekermann, Reinhild

Ein Erfolgsmodell?!

Zur Entwicklung des Hochschulwettbewerbs Musikpädagogik

Rubrik: Wettbewerb
erschienen in: üben & musizieren 5/2022 , Seite 54

Im Jahr 2010 wurde im Rahmen des traditionsreichen Wettbewerbs der Musikhochschulen in der Bundes­republik Deutschland erstmalig ein musik­pädagogischer Wettbewerb durchgeführt. Damals war nicht abzuschätzen, welchen Weg dieser Wettbewerb einschlagen könnte, geschweige denn, ob ihm Erfolg beschieden sein würde.

Die nationale musikalische Wettbewerbslandschaft wurde lange Jahre von zwei Traditionssträngen dominiert. Zum einen waren dies die Veranstaltungen rund um den Felix Mendelssohn-Bartholdy-Preis, der ab 1967 an die Gründung und Zielsetzung der Mendelssohn-Stiftung im Jahr 1878 anknüpfte. Zum anderen gelang es dem Hochschulwettbewerb der deutschen Musikhochschulen, die Förderung der künstlerischen Exzellenz in der Wettbewerbslandschaft zu etablieren. Dieser Wettbewerb wurde bereits seit 1952 jährlich durchgeführt und gab in den Nachkriegsjahren den Anstoß zur Gründung der Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen.
Mit dem Einrichten eines separaten pädagogischen Hochschulwettbewerbs, der ebenfalls jährlich im Rahmen der Rektorenkonferenz ausgeschrieben werden sollte, wollten die Rektorenkonferenz und – zunächst als alleiniger Stifter des Preisgelds – der Verband deutscher Musikschulen gemeinsam auf die Bedeutung musikalischer Bildung und musikpädagogischer Ausbildung öffentlich aufmerksam machen. Die Rektorenkonferenz unterstrich mit diesem Schritt und der Einbindung des Verbands deutscher Musikschulen als hochkarätigem Kooperationspartner ihr Engagement für die Musikpädagogik und deren Anspruch auf Exzellenz in der musikalischen Bildung.
2013 kam es innerhalb der Wettbewerbslandschaft zu einer wichtigen Umstrukturierung, in deren Folge der Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Wettbewerb und der Hochschulwettbewerb der deutschen Musikhochschulen fusionierten. Dieser Vorgang sollte eine Fokussierung auslösen, um die künstlerische Exzellenz stärker im Bewusstsein der Öffentlichkeit, aber auch der KünstlerInnen selbst zu verankern. Sicherlich kann man gegenwärtig diesen neu geschaffenen Wettbewerb mit dem Namen Felix Mendelssohn Bartholdy Hochschulwettbewerb als das bedeutends­te kompetitive Podium für den künstlerischen Nachwuchs in Deutschland ansehen.
Für die Entwicklung des jungen Musikpädagogikwettbewerbs war diese Fusion eher ungünstig. Im Juni 2012 war beispielsweise noch nicht geklärt, ob dieser mit seinem pädagogischen Format auch beim neuen Felix Mendelssohn Bartholdy Hochschulwettbewerb angesiedelt werden solle oder ob er, wie die neue musikzeitung in ihrer Ausgabe vom 6. Juni 2012 formulierte, „ein Appendix der Rektorenkonferenz“ sein werde.
Als positive Weiterentwicklung des Wettbewerbs kann sicherlich gewertet werden, dass 2016 eine eigene Geschäftsstelle an der Hochschule für Musik und Tanz Köln eingerichtet wurde. Im selben Jahr wurde mit dem Bundesverband Musikunterricht ein weiterer hochkarätiger Preisgeldstifter ins Boot geholt, was den Anspruch der Exzellenz nun gleichermaßen auf die Ausbildung von SchulmusikerInnen und den Bereich der künstlerisch-pädagogischen Studiengänge ausdehnte. Bislang wurde der Hochschulwettbewerb Musikpädagogik zwölf Mal durchgeführt. 2016 kam es zu einer einmaligen Aussetzung aufgrund zu geringer Anmeldezahlen.

Rahmenbedingungen

Unter welchen Rahmenbedingungen wird der Wettbewerb durchgeführt?1 In der jährlichen Ausschreibung der Rektorenkonferenz und ihrer preisgeldstiftenden Kooperationspartner heißt es – konsequent an den Zielsetzungen des Wettbewerbs orientiert –, dass die Themen „aus dem gesamten Spektrum der in den Studiengängen repräsentierten Handlungs- und Aufgabenfelder“ gewählt werden können. So kann es sich bei der Einreichung beispielsweise um ein künstlerisch-pädagogisches Projekt, eine Initiative zur Musikvermittlung, eine forschungsorientierte Studie (jedoch kein Dissertationsvorhaben), eine wissenschaftliche Arbeit in der Musikpädagogik (ebenfalls kein Dissertationsvorhaben), ein Best-Practice-Beispiel oder auch eine Unterrichtseinheit handeln. Die Rektorenkonferenz kann thematische Fokussierungen vorschlagen, was die Einreichung thematisch freier Beiträge jedoch nicht ausschließt.
Der Wettbewerb findet in zwei Runden statt. In der ersten Runde werden ausschließlich die eingereichten Unterlagen bewertet. Grundvoraussetzung für eine Weiterleitung in die zweite Runde ist, dass es sich um eine „hervorragende eigenständige musikpädagogische Arbeit“ handelt. Bei der Bewertung werden folgende Kriterien berücksichtigt: Plausibilität und Überzeugungskraft, Schlüssigkeit der musikpädagogischen Reflexion, Kontextualisierung im Fachdiskurs, potenzielle Wirksamkeit sowie Prägnanz und Nachvollziehbarkeit, wobei die Kriterien je nach Ausrichtung des Projekts unterschiedlich gewichtet werden.
Ergänzend werden weitere Kriterien wie Übertragbarkeit, Reichweite und Innovationspotenzial bewertet. In der Finalrunde wird zusätzlich die Qualität der Präsentation herangezogen. Die Präsentationen in der Finalrunde sind öffentlich, bestehen zunächst aus einer dem Projekt angemessenen multimedialen Vorstellung sowie einer zusammenfassenden Darstellung des Projekts. Anschließend findet ein ebenfalls öffentliches Gespräch mit der Jury statt.
Die Jury besteht aus zehn Mitgliedern: ein Vorsitzender bzw. eine Vorsitzende aus dem Kreis der Rektorenkonferenz (ohne Stimmrecht), jeweils zwei Mitglieder des durch die Rektorenkonferenz eingesetzten Ausschusses Schulmusik und des Ausschusses künstlerisch-pädagogische Studiengänge, ein Lehrender bzw. eine Lehrende und zwei Studierende aus musikpädagogischen Studiengängen der gastgebenden Hochschule sowie je ein Mitglied des Bundesverbands Musikunterricht und des Verbands deutscher Musikschulen.
Eine der jüngsten, sehr gut angenommenen Weiterentwicklungen ist ein qualitativ hochwertiges Coaching, das denjenigen angeboten wird, die sich für die Finalrunde qualifiziert haben. In individuellen Settings bereiten sich die Studierenden unter professioneller Anleitung auf die Präsentationsaspekte ihres Beitrags vor. Die Finanzierung des Coachings erfolgt aus Anteilen der zur Verfügung stehenden Preisgelder in einer Gesamthöhe von 7000 Euro.
Dieses Vorgehen ist insgesamt sehr positiv zu bewerten. Einerseits sorgt es für die weitere Entwicklung der Präsentationskompetenzen bei den Teilnehmenden, andererseits kommen alle FinalistInnen in den Genuss dieser Fördermaßnahme, unabhängig davon, ob sie schlussendlich auch einen Preis erhalten. Denjenigen, deren Beiträge nicht die zweite Wettbewerbsrunde erreichen, wird ein schriftliches Feedback in Form eines personalisierten und positiven Textes gesendet, welcher von je einem ausgewählten Jurymitglied auf Grundlage der intensiven Jurydiskussionen und Protokolle verfasst wird. Auch den FinalistInnen wird die Möglichkeit eingeräumt, ein schriftliches Feedback zu erhalten.

Qualitätssteigerung

Es ist spannend zu analysieren, mit welchen musikpädagogischen Themen sich die erfolgreichen TeilnehmerInnen des Wettbewerbs beschäftigt haben. Das Archiv auf der Webseite der Geschäftsstelle erlaubt es, dies jahrgangsweise (leider erst ab 2011) nachzuvollziehen. Hier finden sich (in chronologischer Reihenfolge) Themen wie „Die Kleinen Streicher“, „Elementare Musikgeragogik mit türkischen Migrantinnen und Migranten“, „Die dritte Hand – Ein instrumentalpädagogisches Projekt mit Jugendlichen und Studierenden“ oder „Vokale Interaktionsmusik für und mit Senioren“. Beim Wettbewerb 2022 hießen die mit Preisen ausgezeichneten Beiträge „Mit Musik Gehör verschaffen – ein Musizierprojekt für drei- bis sechsjährige CI-Träger:innen mit Angehörigen“, „Bringen wir die Instrumental- und Gesangspädagogik ins 21. Jahrhundert! – Ein Wiki mit digitalen Ressourcen für den analogen Gesangsunterricht“, „Wiederholst du noch oder übst du schon? Ein Videoprojekt zum Differenziellen Lernen am Streichinstrument“ oder „Wie praktisch ist das Schulpraktische Klavierspiel für die Schule?“
Die Vielfalt der Themen, die Kreativität der TeilnehmerInnen sowie ihr Einsatz für Bereiche der Musikpädagogik, die bislang noch nicht zum Mainstream gehören, ist beachtlich. Insgesamt gewinnt man den Eindruck, dass die Qualität der Beiträge im Verlauf der Jahre gestiegen ist, wenngleich auch in den Gründungsjahren sehr interessante Beiträge geehrt wurden. Dass die Digitalisierung in der Musikpädagogik längst Einzug gehalten hat und zu spannenden Projekten und Forschungsfragen führt, lässt sich an Beiträgen wie „Chorprobe 2.0“, „Digitale Kettenkomposition“ oder der Gestaltung des oben bereits erwähnten Wikis mit digitalen Ressourcen für den analogen Gesangsunterricht ablesen. Schade ist, dass die prämierten Inhalte nicht von Anbeginn mit Fotos, Videos und Kurzbeschreibung archiviert wurden. So kann man ab 2012 zwar erste Fotos aus den Beiträgen sehen, 2017 gibt es einen ersten Videoclip aus einem der Beiträge, doch erst ab 2020 ist die Dokumentation für Nicht-Beteiligte, die sich über die Projekte informieren wollen, wirklich aussagekräftig.
Die Frage, ob der musikpädagogische Wettbewerb ein Erfolgsmodell ist und sich in der Wettbewerbslandschaft behauptet, lässt sich bejahen. Von Dauer dürfte dies aber nur sein, wenn der Wettbewerb von allen Hochschulleitungen gleichermaßen wahrgenommen und wertgeschätzt wird, sodass der Gedanke, der Wettbewerb könne lediglich ein „Appendix“ der Rektorenkonferenz sein, für immer ad acta gelegt werden kann. Auch wenn mit „D-bü“2 seit 2017 ein weiterer, in Bezug auf Format und Ansatz außerordentlich spannender Wettbewerb für Musikstudierende aufgelegt wurde, kann sich die musikpädagogische Community glücklich schätzen, dass der Hochschulwettbewerb Musikpädagogik in der nationalen Wettbewerbslandschaft seinen Platz gefunden hat. Weitere Durchläufe dürfen mit Spannung erwartet werden!

1 vgl. https://hwmp.hfmt-koeln.de (Stand: 20.7.2022).
2 Mit „D-bü“ möchte die Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen eine offene Plattform zur Aufführung und Bewertung neuer, ungewöhnlicher und innovativer Veranstaltungsformate für Musikstudierende etablieren. Mit neuen Veranstaltungsideen, außergewöhnlichen Aufführungsorten sowie niedrigen Eintrittspreisen will „D-bü“ auch ein nicht klassikaffines Publikum anziehen; vgl. www.d-bue.de (Stand: 20.7.2022).

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