Herbst, Sebastian

Vielfalt abbilden

Die städtische Musikschule Dortmund ist nun DORTMUND MUSIK

Rubrik: Musikschule
erschienen in: üben & musizieren 3/2023 , Seite 34

Mit Beginn des Jahres 2023 hat sich die städtische Musikschule Dortmund umbenannt in DORTMUND MUSIK. Der neue Name und ein neues Logo sollen „die Vielfalt der Institution sichtbar“ machen. Als „Musikschule der neuen Generation“ finden sich unter dem Dach von DORTMUND MUSIK nun sieben Sparten, von denen die „klassische“ Musikschule nur eine ist. Sebastian Herbst im Gespräch mit Direktor Stefan Prophet.

Lieber Herr Prophet, in diesem Jahr wurde die städtische Musikschule Dortmund in DORTMUND MUSIK umbenannt. Aus welcher Motivation heraus haben Sie sich auf den Weg zu einem neuen Namen gemacht und wie ist er entstanden?
Wir sind eine sehr große musikalische Bildungseinrichtung mit jährlich etwa 20000 SchülerInnen, mehr als 14000 regelmäßigen Belegungen pro Woche und 200 Lehrkräften. Unser Angebot reicht von den vorschulischen Angeboten über Unterricht an Grundschulen im JeKits-Programm, Ins­trumentalklassen an weiterführenden Schulen und „klassischem“ Musikschulunterricht bis hin zur Studienvorbereitenden Ausbildung, der vorberuflichen Ausbildung an der Glen Buschmann Jazz Akademie und der Barockakademie. Darüber hinaus kooperieren wir mit den Dortmunder Philharmonikern, der Chorakademie Dortmund, dem Vokalmusikzentrum NRW sowie der Folkwang Universität der Künste Essen und sind mit weiteren Akteuren der Musik- und Bildungslandschaft gut vernetzt. Soweit die Ausgangslage im Überblick.
Vor diesem Hintergrund haben wir uns mit der Frage beschäftigt, wie sich diese Vielfalt unter einem Dach nach außen abbilden lässt. Wir haben einen großen Katalog von Angebots- und Unterrichtsformaten. Aber sind diese auch adressatengerecht beschrieben? Finden sich alle Akteurinnen und Akteure des Hauses in ihren Feldern wieder? Was kann die gemeinsame Klammer sein, die der Vielfalt gerecht wird?
Und schließlich wollten wir auch den Begriff „Kernbereich“ hinterfragen. Seitdem wir, wie viele andere Musikschulen auch, unserem breiten Bildungsauftrag in einem so großen Umfang gerecht werden, hat sich vielerorts für den Bereich dessen, was seit mehr als 100 Jahren unter Musikschule verstanden wird, der Begriff „Kernbereich“ verselbstständigt. Dieser impliziert aber auch einen „Randbereich“. Und das trifft gerade auf unsere zahlreichen Bildungspartnerschaften und das Programm JeKits als wesentliche Elemente unseres Auftrags und Handelns nicht zu. Daher ist es nur konsequent, diesen „Kernbereich“ als das zu bezeichnen, was er ist: Musikschule! Als eines unserer Angebotsfelder.
Demzufolge trägt das Gesamtgebilde nun einen anderen Namen, den wir mit externer Begleitung identifiziert haben. Und das Gesamtgebilde ist letztlich eine konsequente Umsetzung dessen, was der Strukturplan des Verbands deutscher Musikschulen und die Leitlinien und Hinweise der kommunalen Spitzenverbände abbilden.

Es kann verwundern, dass im neuen Namen auf einen Begriff verzichtet wurde, der sich der Pädagogik zuordnen lässt. Im Logo gibt es die Ergänzung DORTMUND MUSIK. EDUCATION. Wieso verzichten Sie im Namen gänzlich auf Begriffe dieses Wortfelds und warum haben Sie sich im Logo für den Bildungsbegriff entschieden?
Diese Frage stellt sich uns in dieser Ausprägung gar nicht, zumal es uns besonders um die Darstellung und Kommunikation unseres Profils geht. Ein Großteil unserer Sparten trägt als Musikschule, Bildungspartnerin, Jazz- und Barockakademie unverändert einen Bezug im Namen. Generell findet aber in unserem non-formalen Bildungsbereich ein bedeutender Teil des Bildungsprozesses informell durch die Interaktion unserer Teilnehmenden untereinander statt. Vorrangig geht es uns darum, den musikalischen Bildungsauftrag bestmöglich zu erfüllen und dabei dem Paradigmenwechsel in der musikalischen Bildung Rechnung zu tragen, der sich in der Diversität der Nutzerinnen und Nutzer ausdrückt.

Auf Ihrer Webseite schreiben Sie, dass Sie „die erste Musikschule der neuen Generation“ seien. Wie ist das zu verstehen?
Diese Beschreibung stammt ursprünglich aus der Feder der uns in diesem Prozess begleitenden Medienagentur. Bildungseinrichtungen, wie wir es sind, sind da tendenziell eher zurückhaltend. Es ist aber durchaus richtig, dass wir nicht nur unserem Anspruch und Auftrag gerecht werden, mit unseren Angeboten weite Teile der Stadtgesellschaft, alle Generationen und Menschen aller Herkünfte und aus allen sozialen Milieus zu erreichen. Gerade die Elemente, die in den letzten zwanzig Jahren hinzugekommen sind und die zur Umsetzung unseres Auftrags beigetragen haben – Kurse, Projekte, schulischer Ganztag, JeKits, Kita- und Schulkooperationen sowie nicht zuletzt Inklusion –, sind inhaltlich immer im System Musikschule eingeordnet worden. Wir haben nun versucht, unseren Aufbau der inhaltlichen Vielfalt an­zugleichen, um allen Bereichen eine eigene Profilierung zu ermöglichen.

DORTMUND MUSIK ist ein Haus mit sieben Sparten und Sie schreiben, dass „die ‚klassische Musikschule‘ ein zentraler Teil“ davon bleibe. Wie ist diese Sparte bei Ihnen ausgestaltet und im Kontext der anderen sechs Sparten verortet?
Der Bereich der Musikschule bleibt das, was er originär war und ist. Die Musikschule ist im Konstrukt der sieben Sparten ein elementarer und wichtiger Teil mit Blick auf die individuelle musikalische Bildungsbiografie der Schülerinnen und Schüler. Sie ist zugangsoffen, ohne jede Beschränkung etwa an Alter oder Milieu. Hier werden die Inhalte und Ziele bilateral zwischen Teilnehmenden und den Lehrkräften im Rahmen der VdM-Curricula und im Zusammenhang mit unseren Angeboten zum gemeinsamen Musizieren in unseren zahlreichen Ensembles, Chören und Orchestern ausgehandelt.

Was sind die anderen sechs Sparten Ihres Hauses?
Unsere Bildungspartnerschaften (Sparte: BILDUNGSPARTNERIN) richten sich jeweils an eine klar definierte Zielgruppe, etwa an Schülerinnen und Schüler einer bestimmten Schule oder einer Kindertageseinrichtung, wobei die Inhalte und Ziele von verschiedenen Rahmenbedingungen abhängen, von den Partnern definiert werden und somit von Einrichtung zu Einrichtung variieren können. Besonders im Bereich JeKits geben zwar die klar definierten Ziele des Programms einen Rahmen – und doch ist natürlich keine JeKits-Schule wie die andere. Der vorschulische Bereich (Sparte: VON ANFANG AN) ist hingegen per Lebensalter definiert. Die Studienvorbereitende Ausbildung und die Glen Buschmann Jazz Akademie (Sparte: EXZELLENZ) sind an Aufnahmevoraussetzungen und regelmäßige Prüfungen gebunden. Hier ist auch die Barockakademie mit ihrer stilistischen Spezialisierung verortet.
Hinzu kommen drei spezifische Sparten: Im HOUSE OF POP als eigener Sparte geht es über den Fokus Musik hinaus auch um weitere Aspekte, denn Popkultur bezieht weitere Kunstformen ein, sodass es auch um Lebenseinstellungen und Alltagspraktiken geht. Hier machen wir z. B. Workshops in und mit Jugendzentren und sind im DJing mit der Clubszene vernetzt. Eine weitere Sparte ist MUSIK DIGITAL, die vielfältige Angebote vom Producing bis zum Musizieren mit digitalen Endgeräten bereithält. Dabei gibt es selbstverständlich Überschneidungen der Sparten, was wiederum den gegenseitigen Austausch befördert und Synergien schafft. Das gilt besonders für die Sparte LIVE ON STAGE, mit der wir unseren Veranstaltungsbereich neu aufstellen. Konzerte, Veranstaltungen jeder Art, aller Sparten sowie auch Wettbewerbe sind ein wichtiger Baustein, den wir noch stärker im Konzertleben der Stadt verankern möchten, um uns für einen weiteren Kreis potenzieller Besucher und Besucherinnen sichtbar und attraktiv zu machen.

Es wäre ja auch denkbar gewesen, den Begriff der Musikschule mit ihrer Vielfalt beizubehalten und das Verständnis für Lehrende, Schülerinnen und Schüler vor dem Hintergrund der vielfältigen Entwicklungen unseres Berufsfelds durch entsprechende Kommunikationsstrategien inhaltlich auszuweiten. So sind die Förderung exzellenter Leistungen, musikalische Früherziehung sowie Konzerte, Vorspiele und Wettbewerbe live on stage ja traditionellere Bestandteile von Musikschulen, die auch ineinander hineinwirken. Warum war es Ihnen dennoch wichtig, hier eine begriffliche Trennung herbeizuführen?
Unsere aktuelle Profilierung hat mit der Positionsbestimmung begonnen und ist mit der neuen Markenkommunikation natürlich längst nicht abgeschlossen. Es ist nicht so, wie aus Raider Twix zu machen. Die Entwicklung des Berufsbilds Musikschullehrkraft ist hier ein gutes Stichwort. In unserem großen Kollegium gibt es viele verschiedene Profile mit ausgeprägten Stärken, die sich im besten Fall ideal ergänzen, weil wir von niemandem erwarten, in allen Teilbereichen gleichermaßen erfolgreich tätig zu sein. Hier haben mich Peter Röbkes Gedanken zur „Musikschullehrkraft als eierlegende Wollmilchsau“ nachhaltig geprägt.
Unsere strukturelle Profilierung geht einher mit einer inhaltlichen Profilierung, was unseren Lehrkräften die Möglichkeit zur Verortung gibt und somit auch entlastend wirken kann. Die Erfüllung unseres Bildungsauftrags gelingt nur mit der Anerkennung der Interdependenz unserer Vielfalt bei gegenseitiger Akzeptanz und Wertschätzung der sich ergänzenden Lehrkraftprofile. Damit einher geht es grundsätzlich auch um den Themenkomplex zur Attraktivität des Berufsbilds. Bestenfalls gelingt es uns, eine Organisationskultur zu entwickeln, die es uns ermöglicht, auch den in den nächsten Jahren anstehenden großen Generationswechsel innerhalb des Kollegiums erfolgreich zu bewältigen.

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