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Michel-Becher, Jutta

Singen im Alter

Allgemeine Tipps zur Seniorenchorprobe

Rubrik: Praxis
erschienen in: üben & musizieren 5/2023 , Seite 26

Singen tut gut, singen macht Spaß, singen fördert die Geselligkeit: Gute Gründe, mit einem Singkreis oder Chor für SeniorInnen zu starten. Trauen Sie sich und Sie werden mit dem Gesang von engagierten, fröh­lichen und zufriedenen Menschen belohnt! Fangen Sie langsam und mit einfachen Stücken an. Es können auch zu Beginn nur sehr wenige Sängerinnen und Sänger sein (drei bis fünf), dann wird es sich herumsprechen – der Chor wird wachsen und Sie können bald von der Einstimmigkeit in die Mehrstimmigkeit wechseln.

Warum mehrstimmig singen mit Senioren?

Die Mehrstimmigkeit fordert deutlich mehr Aufmerksamkeit als einstimmiges Singen bekannter Melodien und fördert und übt viele verschiedene Fähigkeiten. So lernen die SeniorInnen das aktive Hinhören, eine gewisse Selbstständigkeit bleibt erhalten und das Gedächtnis wird durch das Erlernen einer neuen Melodie zu einem schon bekannten (Lied-)Text geschult. Das Singen eines neuen Liedes fordert und fördert die Konzentration. Für jahrzehntelang erfahrene Chorsängerinnen und -sänger ist es eine große Freude fest­zustellen, dass sie ihre Stimme noch halten oder noch vom Blatt singen können. Gerade diese positiven Erfahrungen mit dem, was gut geht, sind im Alter sehr wichtig und beugen Depression und Niedergeschlagenheit vor. Eine liebevolle Konkurrenz verschiedener Stimmen, gepflegt durch das Proben und das damit verbundene Zuhören auf die anderen Chorstimmen, wirkt oft belebend und motivierend.
Meiner Erfahrung nach ist heutzutage in der Generation der über 70-Jährigen eine reiche Sing- und Chorerfahrung vorhanden. Daher freuen sich die SeniorInnen, chorisch mehrstimmig gefordert zu werden. Selbst Neulinge lernen durch die notwendige erhöhte Aufmerksamkeit schnell und ein einfaches „Dahersingen“ bekannter Melodien wird durch das Einfordern dieser Aufmerksamkeit vermieden. Eine ausgewogene Mischung von leichten und anspruchsvolleren Stücken, guter Laune und reichlich Lob sowie Motivation lässt die Chorprobe wie im Fluge vergehen.

Tipps für den Start in die Mehrstimmigkeit

Starten Sie ganz einfach. Eine gute Möglichkeit zum Anfangen sind Kanons. Wenn alle den Kanon einstimmig gut können, bilden Sie zunächst zwei Gruppen und lassen jede Gruppe den Kanon einmal alleine singen, ohne Unterstützung durch das Klavier. Wenn das gut klappt, dann zwei- oder mehrstimmig probieren. Oder Sie singen den Kanon zu Anfang allein „gegen“ die Gruppe.
Erklären Sie, wenn Sie Chorneulinge vor sich haben, die Chorpartitur mit den zwei oder drei Notenzeilen. Viele kennen nur einstimmige Liederbücher oder werden sagen, sie können keine Noten lesen. Dabei kommt es nicht so sehr auf die Noten an, sondern vor allem auf die Orientierung am zu singenden Liedtext. Die Bedeutung von Noten- und Pausenwerten, Dynamikzeichen etc. können Sie mit der Zeit beiläufig erklären.
Grundlegend ist, dass alle zunächst die jeweilige Melodie bzw. Stimme gut erlernt haben, ehe man in die Mehrstimmigkeit geht. Vielleicht haben Sie auch jemanden dabei, der wirklich gut vom Blatt singt und allein die Stimme halten kann. Mischen Sie erfahrene SängerInnen mit unerfahrenen und bilden Sie so ausgewogene Gruppen. Oder singen Sie zusammen mit der unerfahrenen Gruppe gegen die erfahrene. Werden Sie kreativ. Kalkulieren Sie viel Zeit für Wiederholungen ein. Verbinden Sie diese mit zusätzlichen Aufgaben (für die fitteren unter Ihren SängerInnen): jetzt mal laut, mal leise, mal sehr deutlich sprechen etc. Dann fühlen sich alle gefordert und die nicht so Geübten haben die Möglichkeit, durch eine weitere Wiederholung Töne und Text langsam zu verinnerlichen.
Singen Sie gerne zwischendurch ein bekanntes Lied, einstimmig und ohne Noten: Das lockert die Probe auf und der Chor wird danach für neue Inhalte aufnahmefähiger sein. Wenn Sie zweistimmig singen, können Sie demenziell veränderte Menschen gut zwischen den beiden Stimmgruppen platzieren. So können sie, wenn ihnen nur die von früher bekannte Melodie beim Singen leicht fällt, diese durchgängig dazu singen und sind ein integrierter Teil der Gruppe. Sie werden staunen, wie textsicher bekannte Lieder gesungen werden. Loben Sie viel und verbreiten Sie gute Laune. Spaß und Freude sind wichtig, damit der Chor jede Woche gerne probt und motiviert bleibt.

Sätze und Partitur

Für den Erfolg ist eine der Gruppe angemessene Literaturauswahl, die Spaß macht und schnell zu erlernen ist, ausschlaggebend. Von Vorteil ist es, wenn die Chorsätze so gestaltet sind, dass die Melodie abwechselnd in den verschiedenen Stimmen ist. So muss jeder gut aufpassen, wer gerade die Melodie singt und wer nicht. Ebenso ist es zum Einstieg in die Mehrstimmigkeit gut, Literatur zu wählen, bei der die Stimmen gemischt besetzt werden können, das heißt Männer und Frauen können miteinander dieselbe Stimme singen. Das hat den Vorteil, dass Sie auch mehrstimmig singfähig sind, wenn z. B. nur ein Mann da ist, der eine Stimme noch nicht allein halten kann.
Gerade die langjährig erfahrenen ChorsängerInnen freuen sich an einer gewohnten Chor­partitur. Auch probentechnisch ist eine Partitur für alle SängerInnen praktisch, weil man gegebenenfalls mit dem gesamten Chor alle Stimmen üben kann. So wird während der ganzen Probe viel gesungen und alle bleiben konzentriert bei der Sache.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 5/2023.